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Totenrache und zehn weitere Erzählungen

Titel: Totenrache und zehn weitere Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Frank
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Beschaffenheit verzaubern zu lassen, und Paul glaubte, dass es immer noch so war. Er fühlte es in solchen Momenten. Und vielleicht, dachte er und spürte heiße Tränen in sich aufsteigen, war das, was er für Zwillingssterne hielt, das Funkeln von Emilias wunderschönen Augen.
    Jeden Abend, an dem sie nicht lernten oder Paul über alte Zeiten redete, schauten sie fern, meist alte Serien wie Star Treck oder Magnum, da Emilia sie immer gern gesehen hatte. Aber da sie kein Lächeln zustandebrachte, wusste er nicht, ob er ihr damit wirklich eine Freude bereitete. Zumindest hoffte er das.
    Als damals Detective Mills zu ihm gekommen war und ihm sagte, dass Emilia einen schweren Unfall mit ihrem Wagen gehabt hatte und sie elendig in einem dieser verdammten Sammelbecken für Regenwasser ertrunken sei, hatte Paul gedacht, die Welt würde auf ihrer Bahn erstarren. Er entsann sich an Gesichter von Menschen, die zu ihm kamen, an Tränen, die nicht seine eigenen waren, aber die Erinnerungen, die er von diesem Tag hatte, waren vage und irgendwie verwaschen. Nie wieder, hatte er gedacht, würde es jemals wieder so sein wie bisher. Und doch war es beinah wieder so wie früher. Sie waren zusammen, und nur das zählte.
    Paul blickte seine Frau von der Seite her an, und sein Blick wurde melancholisch. Sie war immer noch verteufelt hübsch, sie war immer noch die Königin seiner Ideale, auch wenn ihr Gesicht ein schmutziges, glanzloses Grau angenommen hatte, und wenn sie ging, machte sie seltsam eckige Bewegungen, die so gar nicht ihrer einstigen Gewandtheit entsprachen. Und trotz der Tatsache, dass er dem düsteren, direkt aus dem Jenseits stammenden Blick ihrer Augen nicht sehr lange standhalten konnte, war Emilia doch immer noch seine Frau – eine verdammt hübsche Frau, wenn Paul das leichte Zucken aus der Lendengegend richtig deutete.
    Der Drang seiner aufgestauten Hormone war im Laufe frustrierender Nächte stets größer und unbeherrschbarer geworden; morgens nach dem Erwachen spürte er heißes Fleisch im behaglichen Dunkel unter der Bettdecke zucken, und abends ließ es ihn nicht einschlafen. Immer öfter geschah es, dass sich in seinem Kopf Phantasieszenen abspielten, von denen er sich früher voller Abscheu abgewandt hätte – nun jedoch sehnte er sie herbei. Er gab den Darstellerinnen, die sich vor ihm aufspreizten, geheimnisvolle Namen, und er genoss Weichheit und Geschmack ihrer Körper.
    Es ist meine Frau, dachte er, sooft er Emilia betrachtete. Tot oder nicht tot: Es konnte doch keine Sünde sein, sich an ihr zu vergehen. Oder?, fragte er im Stillen und nickte voller Zufriedenheit, als er keine Antwort erhielt. Ihre Brust war eine verführerische Wölbung unter dem Kleid, das er ihr kürzlich gekauft hatte, dann ruhte sein Blick auf ihrer Hand, die ihn so oft bis zur kurzatmigen Ekstase gestreichelt hatte. Kein Zweifel, ihr Fleisch brachte das seine immer noch zum Kochen, sein sündiger Geist war mehr als bereit, er beschrie sein Recht auf Befriedigung.
    Paul strich sich fahrig über die Stirn, als wolle er das Brausen der ihn aufstachelnden Phantomstimmen in seinem Kopf fortwischen, dann ging er in die Küche und öffnete eine Dose Bier, die er fast in einem Zug leer trank. Über der Tür tickte leise eine Uhr, aber als er zu ihr emporschaute, nahm er die Zeit kaum wahr. Er stellte die leere Dose achtlos auf den Küchentisch und griff nach einer neuen, und auch diese trank er leer, beinah ebenso schnell wie die vorherige. Als er ins nebenanliegende Zimmer zurückkehrte und in einen Spiegel blickte, sah er in seinem blassen Gesicht ein Grinsen, von dem er nicht wusste, dass er es zustandegebracht hatte. Er zuckte die Achseln.
    „Pscht!“, machte er zu den Stimmen in seinem Kopf, weil sie ihm lästig wurden. Kurz überlegte er, ob er eine weitere Dose Bier trinken sollte, entschied sich jedoch dagegen; der wohlige Schauer des Alkohols, der so vieles leichter machte, war bereits stark genug. Er hatte nie viel vertragen, und heute erfreute ihn dieser Mangel an Ausdauer.
    „Komm mit, mein Schatz“, sagte er mit heiserer Stimme zu seiner Frau, die regungslos auf der Couch saß und ins Nichts starrte. Mittlerweile reagierte sie auf seine Worte, und sie stand auf und folgte ihm träge in ihr Zimmer, das er insgeheim Blutzimmer nannte. In einer Ecke des Raumes stand ihr Bett. Emilia hatte gelernt, es sauber zu halten; die Laken waren stets blütenrein und nie mit Hundeblut bespritzt, und täglich besprühte Paul es mit

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