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Totenrache und zehn weitere Erzählungen

Titel: Totenrache und zehn weitere Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Frank
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durchfuhr ihn, und er nannte sich lächelnd einen Narren, dass er solange mit der Eroberung gezaudert hatte. Zwar fehlten ihm die geflüsterten Geständnisse, ihr Lachen und Atmen und der warme Blick ihrer wunderschönen Augen, aber Emilia war seine Frau, die er liebte, und sie gefiel ihm auch in ihrer neuen Rolle sehr gut. Er wusste, dass andere Leute den Verstand verloren hätten angesichts eines zu neuen Leben erwachten Partners. Gläubige wären entsetzt, wären sie hiervon Zeuge gewesen, Richter würden ihr gnadenloses Urteil fällen, Moralisten empört aufschreien.
    Paul lachte leise auf, als er sich ihre Gesichter vorzustellen versuchte. Wie sähen sie wohl aus, wenn sie vom leibhaftigen Leben nach dem Tod wüssten? „Ich sollte es ihnen sagen“, kicherte er, „und mich an ihren dämlichen Schweinegesichtern erfreuen.“ Er bedeckte Emilias Schulter mit sanften Küssen, während sein Glied in ihrem Schoß erschlaffte.
    Ein Ächzen wurde unter ihm laut, und Paul bemerkte einen muffigen, nach altem Fleisch und geronnenem Blut riechenden Duft. Emilias kalte Hände lagen plötzlich an seiner Hüfte und wanderten dann zögerlich höher, schließlich hielten sie auf seinen Schultern inne. Ihre Griff wurde härter, liebloser. Dann spürte er eine feine Berührung an seinem Hals, und ihm wurde klar, dass es ihr Mund war, ihre Lippen und die Zunge, die über sein weiches Fleisch wanderten.
    Die sanfte Liebkosung, die einen Schauer erzeugte, wandelte sich plötzlich zu einem unglaublichen Schmerz, der ihn verzehren wollte. Er schrie hell und spitz auf. Emilia riss und zerrte knurrend an seinem Fleisch, er konnte hören, wie es aufplatzte, und eine kochende Flut seines Blutes schoss aus der Wunde heraus und troff auf das unbefleckte Bett und den Boden. Durch die Schemen der drohenden Bewusstlosigkeit sah Paul Emilias vor Wonne verzerrtes Gesicht und ein großes Stück zitterndes, blutdurchsetztes Fleisch in ihrem Mund. Sie kaute darauf herum und schlang es herunter. Ihre Augen blickten ihm starr ins Gesicht.
    Gurgelnd sprang Paul auf, weg von ihr. Voller Panik stürzte er rücklings am Fußende vom Bett und schlug hart mit dem Kopf auf, in der Luft perlten die Tropfen seines davonwirbelnden Blutes, es hatte seine rechte Körperhälfte völlig besudelt und strömte weiter unnachlässig aus der Wunde, die einen Giganten niedergestreckt hätte, obwohl sie kaum schmerzte. Schwarze Schatten flimmerten vor seinen Augen. Schemenhaft konnte er seine Füße erkennen, mit denen er sich noch im Bett befand.
    Warum tut sie das?, fragte er sich. Warum bringt sie mich um?
    Ihr Gesicht tauchte am Bettrand auf, zwischen seinen Unterschenkeln, und der Kiefer malmte geduldig den letzten Batzen Fleisch klein.
    „Emilia“, ächzte Paul.
    Für einen Moment hörte ihr Mund mit den kauenden Bewegungen auf, ihre erloschenen schwarzen Augen starrten auf ihn nieder: Knopfaugen, Wahnsinnsaugen.
    Meine ungute Frau, dachte er sinnloserweise, während er fühlte, wie das Leben weiter pulsierend aus ihm herausspritzte. Von der Wunde ging eine schlimme Hitze aus, aber dennoch war ihm entsetzlich kalt.
    Emilia deutete mit einer Hand auf einen Punkt außerhalb seines Wahrnehmungsbereiches und zischte: „Zzzzeit fürs Essen, Sssschatzi!“
    Zeit fürs Essen: Das waren seine zur Litanei gewordenen Worte, wurde ihm da bewusst, jeden Abend pünktlich um acht Uhr. Er sah sich die Tür ihres Zimmers aufstoßen und einen kleinen winselnden Hund in ihre Fänge werfen. „Zeit fürs Essen, Schatzi!“, sagte er stets. Vier Worte, die genau die Zeit zwischen Öffnen und Schließen der Tür ausfüllten.
    Die Ironie, die ihm da bewusst wurde, brachte ihn nicht zum Lachen, dazu waren seine Muskeln und sein Herz bereits zu schwach. Ansatzweise verzogen sich seine Lippen im blutigen Gesicht, und seine weißen Zähne wurden sichtbar. Durch den pedantischen Drill, der keine Abweichung vorsah, war die Fütterungszeit so tief in Emilias toten Hirn verankert, dass sie nun keine andere Möglichkeit sah, als ihren Ernährer aufzufressen.
    Wie verrückt, dachte er benommen, wie dumm.
    Alle Selbstvorwürfe, die sich da drohend anbahnten, wurden davongespült von einer neuerlichen Schmerzwelle, die mit brutaler Wucht über Paul kam. Emilias Mund umschloss die drei mittleren Zehen seines rechten Fußes, und mit einem knirschenden Laut, der wie das Brechen eines trockenen Astes klang, zerbissen ihre Zähne, die durch den Tod gestählt schienen, Knochen, Sehnen und Fleisch

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