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Totenrache und zehn weitere Erzählungen

Titel: Totenrache und zehn weitere Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Frank
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lediglich Emilias Kopf herausschaute.
    Paul setzte sich zu ihr auf den Rand und erzählte ihr, wie sehr er sie vermisst habe und wie leer die Tage seit ihrem Abschied gewesen waren, wie still und alptraumhaft. Er fragte sich, wie viel Emilia von dem, was er ihr gestand, wohl verstehen mochte. Sie war nicht mehr so wie früher, die tote Emilia hatte mit der lebenden nicht sonderlich viel gemein. Aber – obschon ihre Augen gebrochen waren und nicht mehr vor Vergnügen funkelten wie früher und ihre Schweigsamkeit bedrückend wirkte – es war Emilia, und er liebte sie. Wäre sie nicht aus der Erde gekrochen, hätte er alles versucht, den umgekehrten Weg zu gehen.
    Eine weiße Hand tauchte aus dem Wasser auf, und er griff nach ihr. Trotz der Hitze des Wassers war sie eisig kalt. Das Fleisch unter ihren Fingernägeln, sah er, war dunkel, die Nägel allesamt rissig und abgebrochen, als hätte sie viele Stunden lang am widerspenstigen Holz ihres Sarges gekratzt. Wieder rann ihm ein eisiger Schauer den Rücken entlang, denn er wusste, genauso war es auch gewesen. Beinah konnte er das beharrliche Geräusch des Scharrens vernehmen.
    Obgleich Paul gehofft hatte, ein Bad würde den unverblümten Duft des Todes, der Emilia anhaftete, zumindest ein wenig abschwächen, bemerkte er nun doch, dass kaum eine Milderung eingetreten war; daher sprühte er sie ausgiebig mit einem Deodorant ein, ein Ritual, das er künftig dreimal am Tag wiederholte.
    Im Keller des Hauses hatte er seiner Frau bereits ein Zimmer eingerichtet, an dem sie, wie er hoffte, Gefallen finden würde. So sehr ihn diese Einschränkung auch schmerzte, so wusste er doch, dass er ihr nicht das ganze Haus zur Verfügung stellen durfte, da die Gefahr einer Entdeckung zu groß wäre. Er dachte mit Schaudern daran, wie übel ihm seine kleingeistigen Nachbarn den verübten Frevel der Wiedererweckung – und den der Dämonenbefreiung – wohl nehmen würden. Insgeheim spielte Paul mit dem Gedanken, in eine andere, größere Stadt zu ziehen, in der die Leute vielleicht aufgeschlossen genug waren, ihm seine Rolle als Außenseiter ungefragt zu überlassen.
    Später, sagte er sich, später.
    Paul fand schnell heraus, dass Emilia keinen Appetit auf gekochte Speisen mehr hatte; solche Nahrung verschmähte sie völlig, obgleich Paul sich die größte Mühe gab. Was er ihr auch reichte, das Ritual war stets das gleiche: Emilia warf einen misstrauischen Blick auf den Teller und ließ das Essen dann erkalten. Wonach sie wirklich verlangte, begriff er schließlich, als er überraschend ihr Zimmer betrat und Emilia dabei ertappte, wie sie in diesem Moment eine Spinne aus dem Dunkel unter dem Bett hervorklaubte, die sie offenbar mit neuerlangten Sinnen dort erspürt hatte, und sie sich mit einem leisen Grunzen in den Mund steckte.
    Ein Gefühl leichten Grausens überkam ihn, als er das Bild vor Augen hatte. Er entsann sich eines Kapitels aus einem der Bücher, welches sich mit der Natur der aus dem Totenreich zurückgekehrter Menschen beschäftigte. Sie waren anders, manchmal ganz und gar anders, es machte ihnen nichts aus, lebendes Fleisch zu sich zu nehmen, vielleicht empfanden sie gar Freude dabei, den Schwall heißen Blutes die Kehle runter rinnen zu fühlen.
    Stirnrunzelnd akzeptierte Paul Emilias Wunsch nach blutigerer Nahrung, als er ihr in der Küche je hätte zubereiten können, und brach erneut in Minters Stall ein. Diesmal stahl er ein Huhn, das er zu Emilias Füßen warf. Zum ersten Mal, seit sie wieder bei ihm war, zeigte sie Anzeichen einer echten Emotion. Mit einem Fauchen stürzte sie sich auf das panisch aufflatternde Tier, packte es und biss ihm den Kopf ab.
    Paul übergab sich brüllend und wankte zurück, seinen angewiderten Blick konnte er jedoch nicht abwenden, weil der Schrecken seine ganze Faszination ausstrahlte und ihn zu bannen schien. Emilia riss den noch zuckenden Kadaver des Huhns auf und zerrte mit zu neuem Leben erwachter Begeisterung an den hervorquellenden Eingeweiden, die sie sich mit der Abgebrühtheit einer Maschine in den Mund stopfte.
    Sie frisst, dachte Paul entsetzt und schaute ungläubig zu, wie weitere Batzen bluttriefenden und sehnigen Fleisches in ihren Schlund wanderten, ihr Gesicht war eine bizarre Maske aus Blut und Federn. Manchmal gab sie ein leises Knurren von sich, unentwegt bewegte sich ihr Kiefer. Am Boden weitete sich eine große Blutlache aus, in der Fleischreste und Hühnerfedern lagen. Obgleich er an solch profanen Gedanken im

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