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Totenreigen

Totenreigen

Titel: Totenreigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Lykk
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Leiche am
Fundort in Augenschein nehmen kann. Dr. Brotmann ist gekommen, er müsste
noch im Hausflur sein.«
    Prebling ging die vier Stufen der Außentreppe hinauf, Steffens
entschuldigte sich, er müsse ein paar Autos vor dem Haus zum Weiterfahren
auffordern.
    Lüthje fingerte vorsorglich einen Knäckebrotkrümel aus der
Jackentasche und legte ihn sich unauffällig auf die Zunge. Es war sein geheimes
Mittel gegen das Würgegefühl, das ihn beim Anblick von Leichenfundorten oder
Obduktionen überfiel. Er kam sich dabei wie ein Kapitän vor, der an
Seekrankheit litt.
    »Bitte nicht hineingehen. Wegen des Blutes. Wir müssen von hier in
den Flur sehen«, sagte Prebling und blieb vor der Türschwelle im Türrahmen
stehen.
    Lüthje beugte sich vor, um in den Flur sehen zu können. Ungefähr
vier Meter vom Eingang entfernt lagen zwei Männerbeine, bekleidet mit einer
dunklen Hose, wenn man von dem noch feuchten Blut absah, das sich im dunklen
Stoff abzeichnete.
    Da der geflieste Boden sich zum Hauseingang etwas absenkte, war das
Blut in Richtung Haustür geflossen und an der Türschwelle zum Stillstand
gekommen. Es schien die Fläche zu sein, die von den Bewohnern und Besuchern des
Hauses abgenutzt war, so ähnlich wie die hinter dem Eingang abgewetzten Fliesen
eines alten Kirchenportals.
    »Er liegt in einer Art Abstellkammer«, erläuterte Prebling.
»Möglicherweise hat er nach etwas gesucht. Unter seinem Körper befinden sich
ein, zwei Ordner mit irgendwelchen Unterlagen. Alles blutgetränkt. Ich hoffe,
das Labor macht das wieder lesbar. Das Haus ist ansonsten ausgeräumt und
besenrein.«
    Auf der blutfreien Seite des Flurs hockte Dr. Brotmann. Er
winkte Lüthje zu und sah dann wieder mit gerunzelter Stirn in die
Abstellkammer.
    Lüthje wandte sich zu Prebling. »Welche Wischspur könnte durch einen
zu langen Mantel hervorgerufen sein?«
    »Möglicherweise …«, sagte Prebling zögernd, »… diese hier.« Er
kniete sich nieder.
    »Also bis zur Leiche und wieder zurück«, sagte Lüthje nachdenklich.
    Prebling nickte. »Diese Verwischung könnten Fußabdrücke sein. Wir
haben das Ganze schon ausgiebig fotografiert.«
    »Der Mantelmann, Sie wissen, wen ich meine, ist also, trotz dieses
Anblicks, bis zur Leiche gegangen … ohne auf das Blut zu achten … wenn er nicht
der Täter war«, sagte Lüthje.
    »Unwahrscheinlich. Sie müssen bedenken, dass das Blut ja nicht
sofort den Boden bedeckte, sondern erst etwa eine halbe Stunde nach der Tat.
Erst danach hat der Mantelmann seine Spuren hinterlassen.«
    »Es sei denn, er war zweimal da«, sagte Lüthje. »Erst zum Morden und
nach einer halben Stunde, um nachzusehen, was er angerichtet hat.«
    »Und der Spurensicherung so richtig schöne Spuren zu hinterlassen?«
Prebling sah Lüthje mit hochgezogenen Augenbrauen an.
    »Tatwaffe?«, fragte Lüthje.
    »Bisher Fehlanzeige.« Prebling zuckte mit den Schultern.
    Sie schwiegen eine Weile und sahen, beide in Gedanken versunken, den
Flur entlang.
    »Lässt sich feststellen«, fragte Lüthje, »wie lange nach der Tat der
Mantelmann hier erschienen ist? Sie sagten eben, ›irgendwann danach‹. Was
meinen Sie damit?«
    »Hier, diese Schleifenmuster …« Prebling wies auf ein Muster, das
Lüthje an den Flusslauf der Eider erinnerte, »… und hier …«, Prebling wies
auf die Türschwelle, »… noch eine Wischspur. Ich glaube, dass der
Mantelmann zwischen einer halben und einer ganzen Stunde nach der Tat diese
Spuren hinterlassen hat. Das ist meine vorläufige Einschätzung, nicht mehr.«
    »Aber auch nicht weniger. Es ist also unwahrscheinlich, dass er dem
Mörder begegnet ist«, sagte Lüthje. »Gibt es hier noch Licht?«
    Prebling griff um die Ecke zum Lichtschalter. Eine Glühbirne hing an
abgewetzten Kabeln von der Decke und begann nach zögerndem Flackern zu
leuchten.
    »Warum ist dieser Mantelmann dann hier durch das Blut zur Leiche
gewatet? Und natürlich auch wieder zurück? Bei eingeschaltetem Licht hätte er
es doch sehen müssen. Aber vielleicht hat er das Licht nicht eingeschaltet.
Fingerabdrücke?«, fragte Lüthje.
    »Auf dem Lichtschalter sind mehrere Schichten Fingerabdrücke. Alle
verwischt. Der Mantelmann ist noch nicht vernehmungsfähig?«, fragte Prebling.
    Lüthje schüttelte den Kopf.
    »Nehmen wir mal an«, sagte Lüthje, »… dem Mantelmann reichte
das spärliche Tageslicht im dunklen Flur. Immerhin ist die Eingangstür oben
verglast. Dazu kommt noch das Licht durch die genauso verglaste

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