Totenruhe
ihn traf. Er wankte nach hinten, und ich konnte meinen Sturz ins Grab nicht mehr aufhalten, als er mit seinem ganzen Gewicht auf mich fiel.
Ich landete hart, während um mich herum das faulige Wasser hochspritzte. Ethan kam schwer auf mir auf. Der doppelte Aufprall raubte mir den Atem. Einen Augenblick lang konnte ich weder ein- noch ausatmen.
Unter meinem Rücken spürte ich Morast. Meine Hände, die immer noch nach hinten gefesselt waren und wehtaten, und etwas Hartes - der Kassettenrecorder? - bohrten sich in meinen Rücken.
Ethans Blut, feucht und warm, rann von seinem Rücken auf meine Brust. Mitch Yeager sah auf uns herab und hob erneut die Pistole.
Jemand rief panisch: »Onkel Mitch!«
Auf einmal drangen ohrenbetäubender Lärm und Licht von oben in das Grab ein. Ein Wind, der Schlamm und Wasser zu einem Sprühnebel aufwirbelte, zwang mich, die Augen zu schließen.
Der Lärm nahm immer mehr zu und wurde zu einem Tosen, das mir in der engen Welt des Grabes unerklärlich blieb.
Ethan rang mit dem Tod.
Es war mir völlig egal, dass Mitch fliehen konnte.
Ich weiß nicht, wie lange es dauerte, bis ich begriff, dass Mitchs Hubschrauberpilot den Yeagers Befehle zubrüllte. Und behauptete, von der Polizei zu sein.
69
Ethan war bereits ins St. Anne’s geflogen worden, das dem Friedhof am nächsten gelegene Unfall-Krankenhaus, als man mir das Isolierband von den Handgelenken schnitt und mir auf den Rasen half. Anschließend brachte man auch mich ins St. Anne’s, allerdings in erster Linie, um meine Wunden zu säubern und mich mit Antibiotika voll zu pumpen. Schnittund Schürfwunden, die in bakterienverseuchtem, nach Verwesung stinkendem Wasser eingeweicht worden waren, fanden die Medizinmänner irgendwie beunruhigend. Die Verletzung, die mir die Begegnung mit dem Stück Engelsflügel im Gesicht zugefügt hatte, wurde genäht. Und ich hatte überall Blutergüsse.
Das war rein gar nichts. Der wahre Schmerz war nicht körperlich.
Franks Anwesenheit linderte all das ein wenig. Er hatte mich seit dem Moment, als man mich aus dem Grab gehoben hatte, nicht aus den Augen gelassen. Da ich zu der Zeit noch nach Blut und Leichen stank, war das richtig tapfer von ihm. Lydia hatte mir Sachen zum Wechseln gebracht, und ich hatte geduscht, aber ich hätte schwören können, dass ich nach wie vor den Friedhof roch. Ich versuchte, das nicht als Omen aufzufassen.
Die Polizei hatte Fragen. Sie mussten ein bisschen auf ihre Antworten warten. Ich sah Zeke Brennan zum zweiten Mal binnen vierundzwanzig Stunden, doch diesmal arbeitete er für
Ethan und mich. Zeke hinderte mich nicht daran, mich in jeder Hinsicht kooperativ zu zeigen, doch beinahe hätte mir meine Geduld einen Strich durch die Rechnung gemacht - wegen meiner Angst um Ethan konnte ich mich nur schlecht konzentrieren. Um Frank einen Gefallen zu tun, hielt sich einer der Polizisten, die uns ins Krankenhaus begleitet hatten, über Ethans Zustand auf dem Laufenden und sagte uns regelmäßig Bescheid, wenn es etwas Neues gab. Viel mehr als »ist noch im OP« war nicht zu erfahren.
Mitch und seine Neffen waren ins Las Piernas General Hospital gefahren worden. Vermutlich hatte jemand Angst gehabt, dass die gesamte Belegschaft des Express über sie herfallen würde, wenn man sie in dieselbe Klinik brachte wie uns.
Frank sagte mir, dass Max Ducane darauf brannte, mich sprechen zu können, um sich mit eigenen Augen davon zu überzeugen, dass mir nichts fehlte. Er erzählte mir, dass Max ihn ein paar Stunden zuvor - mittlerweile musste man sagen am Abend zuvor - angerufen und ihm mitgeteilt hatte, dass die Leute, die Eric und Ian in seinem Auftrag beschatteten, die beiden verloren hatten. »Ich hatte mir ohnehin schon Sorgen um dich gemacht und versucht, dich auf deinem Handy zu erreichen. Max hat mir berichtet, die Yeagers hätten in der Maple Street geparkt, seien in einem Haus verschwunden und nicht mehr zu ihrem Wagen zurückgekehrt. Nach einer Weile haben sie begriffen, dass die Yeagers sie ausgetrickst haben, indem sie durch eine kleine Gasse in die Chestnut oder Polson Street geschlichen sind.«
Sowie er erfuhr, dass die Yeagers ganz bei uns in der Nähe waren, hatte Frank Ethans Adresse aus dem Telefonbuch herausgesucht und eine Einheit angefordert, die zu seiner Wohnung fahren sollte. Sie fanden die Tür offen und meine Tasche auf dem Fußboden im Wohnzimmer. »Also haben wir den Jeep über LoJack aufgespürt und alle Mann in Bewegung
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