Totenruhe
ihn mit aller Kraft anrempelte.
Ich verlor auf dem glitschigen Boden den Halt und fiel mit dem Gesicht voraus in den Matsch, aber Mitch war nun völlig aus dem Gleichgewicht geraten und stürzte rückwärts in das stinkende, offene Grab. Ich hörte ihn klatschend unten aufkommen, während ich mich hastig aufrappelte und hinter dem Grabstein Deckung suchte.
Ian feuerte auf mich, und seine Kugel streifte den Flügel des steinernen Engels über mir. Ein Splitter flog davon und traf mich an der Wange, doch ich ignorierte den brennenden Schmerz und kam auf die Füße. Eric stürmte auf mich zu, während Ian ihm zurief, er solle verdammt noch mal aus dem Weg gehen. Ich blickte mich gerade noch rechtzeitig um, um zu sehen, wie Ethan seine Chance ergriff: Während Ian und
Eric in meine Richtung schauten, versetzte Ethan Ian mit der Taschenlampe einen heftigen Schlag auf den Kopf.
Obwohl ich ein Stück von ihnen entfernt war, hörte ich es krachen. Ethans Taschenlampe gab den Geist auf. Ian fiel zu Boden. Ethan verschwand hinter irgendwelchen Gerätschaften.
Ich lief los, bückte mich immer wieder zwischen Bäume und Grabsteine und wich offenen Gräbern aus. Als ich einen Blick nach hinten warf, sah ich, dass Eric nicht wusste, um welche der verschiedenen Katastrophen er sich zuerst kümmern sollte.
»Schieb deinen Arsch hier rüber und hol mich aus diesem Scheißgrab raus!«, brüllte Mitch. »Sofort!«
Ungelenk hüpfte ich von einem Grabstein zum nächsten, von einem Baum zum anderen und wünschte, meine Hände wären frei, was mir zu einem besseren Gleichgewicht und mehr Geschwindigkeit verholfen hätte. Langsam näherte ich mich dem Tor - bis ich sah, wie Ian sich aufrappelte und in dieselbe Richtung loslief. Er wirkte benommen, war aber wohl nicht zwangsläufig zu benebelt, um einen tödlichen Schuss auf mich abzufeuern. Also dann doch nicht zum Tor. Ich schwenkte in Richtung Oleander ab, wobei ich nach Ethan Ausschau hielt und ein- oder zweimal das Gefühl hatte, in der Finsternis eine Bewegung wahrgenommen zu haben.
Am Oleander angelangt, vergrub ich mich darin und versuchte weiter, Ethan irgendwo auszumachen, während ich um Luft rang.
Viel konnte ich nicht sehen. Es war nur eine Taschenlampe übrig geblieben, und die leuchtete nun gespenstisch aus einem Grab heraus und erhellte Gesicht und Flügel des Engels darüber. Eric hatte die Jacke ausgezogen und hielt sie Mitch wie eine Rettungsleine hin, während er sich selbst am Grabstein abstützte und versuchte, Mitch herauszuziehen, ohne selbst hineingezogen zu werden. Es schien nicht besonders gut zu klappen, wenn man nach den Schimpfwörtern ging, die Mitch
lautstark von sich gab. Offenbar hatte er sich beim Sturz den Knöchel verstaucht oder gebrochen. Eric griff nach Mitchs Kleidern und zerrte ihn nach oben, doch auch das schlug fehl - er rutschte an Mitchs schlammverschmierter Kleidung ab und tunkte ihn so ein zweites Mal in die Brühe.
Ethan konnte ich nirgends entdecken, doch in der Finsternis sah ich Ian unbeholfen durch die Gegend taumeln. Hektisch überlegte ich, wie ich Ethan auf mich aufmerksam machen konnte, ohne von den anderen entdeckt zu werden.
So leise wie möglich stieg ich durch ein Loch im Maschendrahtzaun, rannte zum Jeep und warf mich dagegen.
Die Autoalarmanlage dröhnte los.
Über ihr Getöse hinweg hörte ich Eric und Ian schreien, dass wir ihnen entkommen würden.
»Scheißegal!«, brüllte Mitch. »Holt mich verflucht noch mal hier raus!«
Ich stieg durch das Loch im Zaun wieder hinein, hielt mich aber nach wie vor hinter dem Oleanderbusch verborgen. Ich wusste nicht, ob sich Ethan inzwischen in Sicherheit gebracht hatte, und ich wollte ihn nicht im Stich lassen. Lieber wartete ich noch ein bisschen länger. Wenn wir Glück hatten, fiel der Alarmton ja einem vorüberfahrenden Streifenwagen auf.
Ich sah Ian auf seinen Bruder und seinen Onkel zustolpern. Mit seiner Hilfe wurde Mitch schließlich aus der Grube befreit. »Eric, mach diese verdammte Alarmanlage aus und bring den Wagen hier rein«, befahl Mitch. »Wir brauchen die Scheinwerfer.«
Ian gab Eric die Schlüssel. Eric lief mit verblüffender Geschwindigkeit in Richtung Jeep, bis er nahe genug herangekommen war, um den Alarm mit der Fernbedienung am Schlüssel abstellen zu können. Anschließend blieb er ruhig stehen und schaute in Richtung des Oleanderbuschs. Ich duckte mich und hoffte, dass ich für ihn nicht sichtbarer war, als ich glaubte.
»Vielleicht sollten wir
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