Totenruhe
den Hubschrauber kommen lassen«, schlug Ian vor.
»Ja, ja … das wäre viel besser«, sagte Mitch. »Vom Hubschrauber aus sieht man die beiden. Wir hauen dann gleich von hier aus ab.«
Als Eric den Wagen in den Friedhof gefahren hatte, sagte er: »Ich glaube, in dem Gebüsch da beim Hintereingang hält sich jemand versteckt.«
Scheiße.
»Du und Ian, ihr sucht den hinteren Zaun ab. Hast du mich verstanden, Ian?«
»Und wer soll dann das Tor bewachen?«, protestierte Ian.
»Das behalte ich im Auge. Lasst die Scheinwerfer vom Jeep an.«
»Ich brauche meine Pistole«, sagte Eric. »Gib sie mir zurück.«
»Ich bleibe nicht verletzt und unbewaffnet hier hocken, du Vollidiot! Die beiden haben keine Knarren. Such dir einen Stock.«
»Dann gib mir wenigstens die Taschenlampe.«
Mitch räumte ein, dass das der Suche dienlich wäre, und reichte sie ihm. »Jetzt aber Beeilung! Mittlerweile ist der Scheißkerl wahrscheinlich schon über den Zaun und auf halbem Weg nach Hongkong.«
»Er will nach Hongkong?«, fragte Eric entgeistert.
»Verdammte Scheiße, Eric, jetzt sieh zu, dass du an den Zaun kommst!«
Sowie Eric erstmals den Oleander erwähnt hatte, hatte ich den Rückzug aus meinem Versteck angetreten. Sie besaßen nur eine Taschenlampe. Der Jeep sorgte für Beleuchtung in der einen Richtung, aber Mitch wäre nicht imstande, diese Lichtquelle zu bewegen. Das war mein Vorteil. So geduckt wie möglich huschte ich aus dem Oleander und auf ein Grab in der Nähe zu.
Ian schlich außen um den Friedhof herum, während Eric mithilfe der Taschenlampe und eines dicken Stocks das Gebüsch absuchte. Ich konnte mich an meinem Standort zwar vor ihnen versteckt halten, nicht aber vor Mitch, der momentan noch voll darin aufging, ihnen Befehle zuzubrüllen, sich aber jeden Moment umblicken konnte. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er die silberne Farbe des Isolierbands um meine Gelenke im Mondlicht schimmern sah.
Die einzige Stelle, die offenbar keiner von ihnen im Auge behielt, war das Vordertor des Friedhofs. Langsam bahnte ich mir den Weg dorthin und hoffte darauf, dass ich mich dort, falls ich vor Ankunft des Hubschraubers keinen Weg hinausfand, wenigstens zwischen den herumstehenden Gerätschaften verbergen konnte.
Wenn der Hubschrauber sämtliche Yeagers mitsamt der Besatzung über eine Strecke transportieren sollte, die es ihnen erlaubte, der Polizei zu entkommen, musste es ein großer sein. Eine Landung in anderen Gegenden der Stadt hätte zu viel Aufmerksamkeit erregt. Aber hier? Wie Mitch Yeager schon bemerkt hatte: Hier drinnen würde sich keiner beschweren.
Vielleicht war der Hubschrauber aber auch zu groß, um auf dem Friedhof zu landen. Nein, wohl nicht - vor mir erstreckte sich ein Areal mit moderneren Gräbern, das flach und offen war. Allerdings lag es nicht in der Nähe des Vordereingangs.
Mitch Yeager saß zwischen mir und dem Bereich, in den ich wollte. Ich müsste ziemlich nah an ihm vorbeigehen, wenn ich zum Vordertor wollte. Kam der Hubschrauber, ehe ich es geschafft hatte, tja - dann würde ich zurücklaufen und ihn umbringen, und wenn ich es tun musste, indem ich ihn wieder in das Grab stieß, hinterhersprang und ihm den Schädel zertrümmerte.
Ich hoffte inständig, dass es dazu nicht kommen würde. Ich schlich weiter, bis ich etwa auf gleicher Höhe mit ihm war - nur wenige Meter von ihm entfernt, allerdings durch
Grabsteine und Baumaschinen vor seinen Blicken geschützt. Ich musterte ihn, während er im Mondschein dahockte. Er war völlig auf die Suche im Oleanderbusch fixiert und trug ein selbstgefälliges Grinsen zur Schau.
In mir wallte Wut auf. Dieser arrogante Arsch verließ sich darauf, dass er wieder einmal der gerechten Strafe entgehen würde. Natürlich hatte er auch allen Grund, daran zu glauben. Maureen O’Connor und ihre Angehörigen, die Ducanes, Rose Hannon, der kleine Max, Corrigan, ja selbst sein Adoptivsohn - welchen Preis hatte er je für den Schmerz und den Tod bezahlt, den er anderen bereitet hatte? Nicht den geringsten. Er war immer reicher und angesehener geworden. Warum sollte er eine Festnahme befürchten?
Einen Moment lang erschien mir die Idee gar nicht so schlecht, unter allen Umständen für sein Ableben zu sorgen.
Ich hatte gerade einen zaghaften Schritt auf ihn zu getan, als im Gebüsch auf einmal Schreie ertönten und sich ein Handgemenge abzeichnete.
»Erschieß ihn nicht!«, schrie Mitch.
Ethan wurde von Eric aus dem Gebüsch gezerrt, während die
Weitere Kostenlose Bücher