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Totensonntag: Ein Westfalen-Krimi (Westfalen-Krimis) (German Edition)

Totensonntag: Ein Westfalen-Krimi (Westfalen-Krimis) (German Edition)

Titel: Totensonntag: Ein Westfalen-Krimi (Westfalen-Krimis) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Reitemeier , Wolfram Tewes
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Brust nehmen. Und dann würde sie singen, singen wie eine Nachtigall. Er riss den Reißverschluss seiner warmen, wasserdichten Schutzjacke auf, kramte in seiner Uniformjacke weiter, bis er das Telefon gefunden hatte.
    Gut, jetzt hatte er zwar ein Handy, auch eines, das funktionierte, aber wie sollte er wählen? Bei dem kleinsten Versuch, die Augen zu öffnen, potenzierten sich die Schmerzen. Perreira jaulte auf, als er versuchte, den Tastenblock zu erkennen, doch selbst als er sich sein Handy direkt vors Gesicht hielt, konnte er nichts sehen.
    Verzweifelt drückte er auf den verschiedenen Tasten herum. Plötzlich hörte er, dass sich eine Verbindung aufgebaut hatte. Es dauerte eine endlos lange Zeit. Niemand nahm ab.
    Perreira überlegte. Wen hatte er als Letztes angerufen? Klar, seine Frau Carla. Keine Chance, dachte er. Die steckte sich seit Jahren Stöpsel in die Ohren, um sein Schnarchen nicht zu hören. Dies Verhalten war bei ihr zur Gewohnheit geworden. Ohne diese Dinger in den Ohren konnte Carla gar nicht mehr einschlafen.
    Irgendwann veränderte sich die Tonabfolge. Die Verbindung war automatisch beendet worden. Auch wenn sein Unterfangen zu neunundneunzig Prozent keinen Erfolg bringen würde – Perreira versuchte es erneut. Er verfluchte sein Schnarchen, verfluchte die Sensibilität seiner Frau, die nachts das kleinste Geräusch nicht ertragen konnte. Zukünftig würde er ihr verbieten, sich diese Dinger in die Ohren zu stopfen, wenn er Dienst hatte. Wieder war die Zeit, in der die Verbindung gehalten wurde, abgelaufen.
    Mittlerweile hasste er jeden und alles auf der Welt. Trotzig drückte er erneut die Wahlwiederholung. Und endlich hörte er eine Stimme.
    »Carla Perreira«, sagte seine Frau schlaftrunken.
    Perreiras Wut verwandelte sich augenblicklich in Freude. Lachend sagte er zu seiner Frau: »Carla! Carla, ruf sofort bei der Wache an!«
    »Miguel, bist du es? Was ist los mit dir?« Der Tonfall seiner Frau war ärgerlich. »Hast du sie nicht mehr alle, oder bist du betrunken? Warum lachst du? Wieso weckst du mich um diese Zeit? Und außerdem, kannst du nicht selbst bei deinen Kollegen anrufen?«
    »Carla, ich bin überfallen worden! Ich kann nichts sehen! Man hat mir mit einer Gaspistole ins Gesicht geschossen! Ruf die Kollegen an!«
    »Oh Gott!«, hörte Perreira seine Frau noch sagen, dann war die Leitung unterbrochen.
    Nun begann ein endloses Warten. Perreira hasste nichts mehr als das. Jetzt kam zu den Schmerzen auch noch seine Hilflosigkeit hinzu. Dieser Zustand war für einen Mann wie ihn die Hölle. So eine Demütigung! Um die Zähigkeit der Zeit nicht ertragen zu müssen, bemühte er sich, einen Weg aus den Trümmern des Hauses zu finden. Tastend versuchte er, die Umgebung zu erforschen. Machte einen ersten Schritt, rutschte aus und schlug sich das Knie an einer Steinkante. Er schrie auf und versuchte aus einem Reflex heraus, die schmerzenden Augen aufzureißen.
    »Was für ein verdammtes Scheißleben!«, schrie Perreira. Resigniert richtete er sich auf und setzte sich auf einen Mauerrest. Er hob den Kopf und versuchte zu blinzeln. Doch bevor er die ersten Blitze des Blaulichts erahnte, hörte er glückshormondurchströmt den durchdringenden Ton des Martinshorns.

8
    Jetzt war es schon zehn Uhr dreißig. Die Besprechung hatte vor einer halben Stunde angefangen, und bis auf Karl Kükenhöner waren alle anwesend. Schwiete ärgerte sich über seinen Mitarbeiter.
    »Frau Klocke, bitte tun Sie mir einen Gefallen!«, sagte er. »Rufen Sie doch bitte den Kollegen Kükenhöner an, und machen Sie ihn darauf aufmerksam, dass wir alle seit mehr als einer halben Stunde auf ihn warten. Ich bin gleich wieder da.«
    Dann verließ der Hauptkommissar den Raum und ging in sein Büro. In seinem Inneren brodelte es. Er setzte sich an seinen Schreibtisch und ordnete die Utensilien, die auf der Tischplatte lagen, neu. Bei Horst Schwiete gab es eigentlich keine Unordnung, denn auf seinem Tisch lagen alle Bleistifte nach Größe geordnet in Reih und Glied.
    Doch jetzt, da er sich ärgerte, kam es zu einer Übersprungshandlung, die ihn dazu veranlasste, die perfekte Ordnung zu zerstören, um alles anschließend wieder in die gewünschte Systematik zu bringen. Irgendwann war auch der kürzeste Bleistift wieder an seinem Platz. Schwiete hatte seine innere Ruhe wiedergefunden.
    Er atmete tief durch und ging zurück zu den Kollegen. Und siehe da, ein schlecht gelaunter Karl Kükenhöner lümmelte sich auf seinem

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