Totensonntag: Ein Westfalen-Krimi (Westfalen-Krimis) (German Edition)
sie jedenfalls, im Bordell in der Marienloher Straße. Sie hatte aber keinen Ausweis oder andere Papiere, mit denen sie sich hätte ausweisen können. Hier ist das Protokoll.«
Der Kollege hielt Kükenhöner ein paar Blätter hin.
»Sag mal, Karl, was ist eigentlich bei euch los? Wir nehmen eine Prostituierte fest, die einen Kollegen mit der Waffe bedroht und schwer verletzt hat. Darüber hinaus hat sie vielleicht sogar einen Mord begangen, und obwohl wir sie schon vor mehreren Stunden verhaftet haben, hat sich noch keiner von euch um die Tatverdächtige gekümmert.«
»Frag nicht mich, frag unseren Chef«, entgegnete Kükenhöner verächtlich.
Krügermeyer wollte sich nicht an einem Lamento über Schwiete beteiligen. Daher zuckte er lediglich mit den Schultern und verließ kopfschüttelnd das Büro.
»Na, dann wollen wir doch mal sehen, was die Kollegen aus dieser Olga Solowjow herausgequetscht haben«, murmelte Kükenhöner und las sich die Ergebnisse der Vernehmung durch. Na, viel ist das ja nicht, dachte er. Und wenn sich keiner die Mühe macht, sich um die wesentlichen Dinge des Falles zu kümmern, dann werde ich das wohl tun müssen.
Kükenhöner legte das Protokoll auf Schwietes Schreibtisch und schrieb ihm eine Notiz. Dann griff er sich seine Jacke und verließ das Büro.
Keine zehn Minuten später stand er vor der Eingangstür eines Gebäudes, das mehr einer Fabrikhalle als einem Erotiketablissement ähnelte, und drückte auf den messingfarbenen Klingelknopf. Nach fast einer Minute Dauerschellen wurde die Tür aufgerissen, und ein kräftiger Mann machte Anstalten, sich auf Kükenhöner zu stürzen. Gerade noch rechtzeitig gelang es dem Polizisten, dem verärgerten Kerl seinen Ausweis unter die Nase zu halten.
»Nun mal ganz langsam mit den jungen Pferden«, sagte Kükenhöner. »Du wirst doch nicht etwa einen Polizisten verprügeln wollen? Wenn du mich auch nur ansatzweise berührst, bringe ich dich schneller in den Knast, als du dir das je vorgestellt hast, mein Junge.«
Der Türsteher ließ sich jedoch in keiner Weise provozieren.
»Würde ich doch nie machen, mich an einem Polizisten vergreifen«, meinte er mit einem schiefen Grinsen. »Ich dachte, es wären wieder die Nachbarsjungen, diese kleinen Drecksäcke. Die machen nämlich andauernd Klingelmännchen bei uns. Ich bin schon richtig genervt. Aber kommen Sie doch erst mal herein, Herr Wachtmeister. Dann sehen wir, was ich für Sie tun kann.«
Der untersetzte Mann machte eine einladende Handbewegung, einen übertriebenen Diener und einen Kratzfuß. Er wies auf das Innere des Gebäudes.
Was sollten denn diese blödsinnigen Gesten?, dachte Kükenhöner. Wollte der Kerl ihn etwa veralbern? Der Hauptkommissar war sich unsicher. Er machte drei Schritte in den Flur. Dann wandte er sich wieder an den Türsteher.
»Wo ist denn hier der Oberzuhälter? Den möchte ich nämlich sprechen.«
»Zuhälter? So was haben wir hier nicht. Wir vermieten Zimmer. Jede der Damen, die hier wohnen, zahlt Miete und ist ansonsten ihre eigene Chefin.«
»Eigene Chefin? Dass ich nicht lache! Also, wer ist hier der Boss von dem Laden? Oder habt ihr noch eine Puffmutter? So eine dicke, ausgediente Nutte mit Riesentitten, die den ganzen Tag Zigarren raucht«, versuchte Kükenhöner ihn weiter zu reizen.
»Ich kann Sie zu unserem kaufmännischen Leiter bringen. Mit dem können Sie dann alles Weitere klären. Ich bin nur derjenige, der die Türen aufhält und kleine Jungen vertreibt, wenn sie frech werden«, sagte der Türsteher ohne jede Gefühlsregung und ging vor dem Polizisten her zu einer massiven Tür, die eine zusätzliche Polsterung aufwies und so vermutlich nicht den geringsten Ton aus dem dahinterliegenden Zimmer durchließ.
Dort drückte er auf einen versteckten Knopf. Keine zwei Sekunden später war ein Summer zu hören. Der Türsteher drückte die Tür auf und bedeutete Kükenhöner einzutreten.
»Herr Rademacher, hier ist jemand von der Polizei, der Sie sprechen möchte«, kündigte er den Besuch an.
Hinter einem riesigen Schreibtisch saß ein schlaksiger junger Mann mit einer schwarz eingefassten, markanten Brille auf der Nase. Er erhob sich und begrüßte Kükenhöner formvollendet höflich und bot ihm einen Platz an.
»Möchten Sie einen Kaffee, ein Mineralwasser oder sonst etwas zu trinken?«
Kükenhöner lehnte ab. »Nein danke, das Einzige, was ich möchte, ist, dass alle Ihre Pferdchen hier antanzen! Und wenn ich alle sage, dann meine ich auch
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