Totensonntag: Ein Westfalen-Krimi (Westfalen-Krimis) (German Edition)
und mühte sich nach Kräften. Aber wozu war er schließlich Bauingenieur? Da musste ihm doch eine praktikable Lösung einfallen. Er ließ den Sarg stehen, ging zur Garage und holte einige runde Holzpfähle, die er letztens gekauft hatte, um damit ein paar frisch gepflanzte Bäume im Garten abzustützen. Es musste nun schnell gehen, und wenn es ihn seinen gesunden Rücken kosten sollte. Schließlich war er ein kräftiger Mann, der in seiner Jugend am Bau ordentlich mit angefasst hatte, und kein weichgespülter Sesselpupser. Er atmete tief durch, konzentrierte sich auf die bevorstehende Kraftanstrengung und schaffte es, den Sarg so weit anzuheben, dass er mit dem Fuß einen der Holzpfähle darunterschieben konnte.
Bald darauf war sein Transportproblem gelöst. Auf drei runden Pfählen ließ der Sarg sich einigermaßen bewegen. Fünf Minuten später hatte er den Sarg neben seinen Mercedes geschoben. Nicht ohne dabei eine kräftige Delle in seine Nobelkarosse gedrückt zu haben. Hastig schaute er an sich herunter und stellte fluchend fest, dass er sich bei dem Sturz in den Sarg die Hose ruiniert hatte. Schnell ließ er das automatische Garagentor herunter und ging zurück ins Haus, um sich umzuziehen. So leise wie möglich stieg er die Treppe empor und hoffte inständig, dass seine Frau gerade unter der Dusche stand und ihn nicht hörte. Aber natürlich hoffte er vergebens.
»Was machst du denn noch hier? Ich dachte, du wärest schon lange weg?« Dann erst sah sie, in welchem Zustand sich sein Anzug befand, und als wäre zwischen ihnen nie etwas anderes als normaler Ehealltag gewesen, keifte sie: »Wie siehst du denn aus? Was hast du gemacht?«
Er gab eine reichliche dürre Erklärung ab, behauptete, einen kleinen Spaziergang gemacht und dabei ausgerutscht und gestürzt zu sein. Seine Frau schaute ihn misstrauisch an. Zurzeit zweifelt sie wohl an allem, was ich sage, dachte er. Selbst bei einem fröhlichen »Guten Morgen« von ihm hätte sie wahrscheinlich erst einmal prüfend auf die Uhr geschaut. Beschämt schlich er an ihr vorbei in sein Schlafzimmer und zog sich um. Als er eine Viertelstunde später wieder das Garagentor hochfahren ließ, sah er, dass seine Ehefrau neugierig aus dem Fenster schaute und ihn beobachtete. Hoffentlich kommt sie nicht auf dumme Gedanken und schaut in der Garage nach, dachte er beklommen.
Erst als er in seinem Mercedes saß und nach Paderborn zu seiner Firma fuhr, machte er sich Gedanken über die Herkunft des Sarges und seine Bedeutung. Er hatte da schon einen Verdacht. Ja, eigentlich konnte es gar nicht anders sein. Der Sarg war eine Drohung. Wenn du nicht den Mund hältst, dann … Und irgendwie hatte das Ganze etwas mit einer Frau zu tun.
Diese Drohung konnte nur von einem ganz bestimmten Mann kommen. Dem würde er es zeigen. Kloppenburg schaute auf die Uhr. Es war gerade mal acht Uhr morgens. Perfekt. Zu dieser Uhrzeit würde in dem Drecksladen mit Sicherheit niemand wach sein. Kloppenburg grinste böse. Er war nicht der Typ für die Opferrolle. Auch er hatte seine Möglichkeiten.
28
Für Patrick Rademacher, den Geschäftsführer des Erotikclubs Oase, war die letzte Nacht anstrengend gewesen. Nicht etwa, weil ungewöhnlich viele Kunden die ganz besonderen Dienstleistungen seiner Mitarbeiterinnen in Anspruch genommen hatten. Nein, ganz im Gegenteil. Das war genau das Problem des äußerst ehrgeizigen Nachwuchsrotlichtmanagers. Es war sehr wenig Kundschaft gekommen, zu wenig. Aber an einem Mittwochabend mit kaltem Nieselregen war das nicht ungewöhnlich, da sackte auch die Libido langsam in den Winterschlaf.
In der nächsten Woche wird es in den meisten Betrieben Weihnachtsgeld geben, hatte Rademacher sich getröstet. Dann würde der Laden hoffentlich brummen wie ein Bienenstock. Darauf freute sich Rademacher schon jetzt. Er war zwar noch nicht sehr erfahren in der Branche, aber wild entschlossen, sich als innovativ, dynamisch und durchsetzungsstark zu präsentieren. Er würde diesen Laden schon auf Trab bringen. Alles, was er brauchte, war ein bisschen Zeit. Vielleicht würde Irina ja später aus dem Urlaub zurückkommen. Oder auch gar nicht mehr. Seit gestern, als sein Chef kurz hereingeschneit war und eine Spur von schlechter Laune hinter sich hergezogen hatte, hatte er den Verdacht, dass zwischen ihm und Irina das Tischtuch zerschnitten war. Der Chef hatte kein gutes Haar an dieser Frau gelassen. Einmal war sogar das Wort »rausschmeißen« gefallen.
Ob Patrick Rademacher
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