Totensonntag: Ein Westfalen-Krimi (Westfalen-Krimis) (German Edition)
Bad Lippspringe verschafft hat, haben wir uns auch vorgenommen. Hatzfeld hat ihn dafür gut bezahlt. Auch das kommt auf die große Liste.«
Jemand klopfte an die Tür. Es war Miguel Perreira, der Polizist, der von Olga Solowjow in den Trümmern des explodierten Hauses so übel zugerichtet worden war. Die Spuren ihre Attacken waren immer noch deutlich zu sehen.
»Gerade hat der Kollege aus dem Brüderkrankenhaus angerufen«, teilte er gutgelaunt mit. »Werner Hatzfeld hat die Prozedur überlebt. Er hatte Glück im Unglück. Irgendwie muss er bei der ganzen Baggeraktion in einen Hohlraum unter irgendwelche Bretter und alte Paletten geraten sein. Der Hohlraum hat dafür gesorgt, dass er mit genügend Sauerstoff versorgt wurde. Er hat eine Gehirnerschütterung und ein paar gebrochene Knochen. Ansonsten ist ihm nichts passiert. Unfassbar!«
»Das größte Schwein hat mal wieder am meisten Glück!«, schnaubte Kükenhöner ärgerlich. »Aber der kommt mir nicht davon! Der nicht, dafür werde ich sorgen.«
Perreira sah Kükenhöner an und räusperte sich.
»Ist noch was, Miguel?«
»Es ist noch was mit deiner Tochter, Karl.«
»Jetzt eier hier nicht so rum! Was ist los?«
Der Polizist druckste noch einen Augenblick herum. »Nun ja, wir haben sie vor einer halben Stunde festgenommen. Sie hat grüne Mülltonnen kontrolliert.«
»Ja und? Was ist daran schlimm? Das macht sie im Auftrag der städtischen Abfallentsorgung. Das ist ein Schülerjob!«
Perreira schüttelte den Kopf. »Von wegen Schülerjob. Deine Tochter hat so getan, als würde sie für ein Abfallunternehmen arbeiten. Allerdings trug sie einen selbst gefälschten Ausweis bei sich, versehen mit einem Dienstsiegel der Kreispolizeibehörde. Außerdem hatte sie selbstangefertigte Quittungen dabei und bestand auf Barzahlung. Ansonsten drohte sie den Leuten mit einer Anzeige. Auf diese Weise hat sie in den letzten Monaten schätzungsweise zehntausend Euro eingenommen. Ober, um es treffender auszudrücken, ergaunert.«
Den letzten Satz hatte Kükenhöner schon nicht mehr gehört, so hastig hatte er den Raum verlassen.
Epilog
Die letzten Tage hatten es in sich gehabt. Der Fall rund um den Club Oase hatte Schwiete an den Rand seiner Belastbarkeit gebracht. An manchen Tagen war er bis zu vierzehn Stunden im Dienst gewesen. Diese langen Arbeitszeiten gingen ihm an die Substanz. Er war schließlich keine dreißig mehr. Wie die Ironie des Schicksals es wollte, erlangte er dies Einsicht ausgerechnet an dem Tag, an dem er fünfzig wurde.
Fünfzig Jahre! Schwiete saß an seinem Küchentisch vor einer Tasse Kaffee und ließ Momente seines bisherigen Lebens Revue passieren. Sein erster Tag bei der Polizei kam ihm vor wie gestern, und doch war er über dreißig Jahre her.
Damals hatte er seinen Vater nicht ernst genommen, als dieser einmal zu ihm sagte: »Junge, die Zeit vergeht schneller, als du denkst. Du bist kaum geboren, da fängst du schon an, über den Tod nachzudenken.«
Ganz unrecht hatte sein alter Herr nicht gehabt. Feiern würde Schwiete diesen Tag ebenso wenig, wie er seine bisherigen Geburtstage gefeiert hatte. Für ihn war das immer ein ganz normaler Tag gewesen. Wahrscheinlich gab es in seiner Umgebung auch niemanden, der dieses Datum kannte. Also brauchte er mit keinen Gratulanten und unerwarteten Geburtstagsgästen zu rechnen.
Sein Handy riss ihn aus diesen trüben Gedanken. Er spürte eine angenehme Erregung, als er die Nummer von Karen Raabe auf dem Display erkannte. Im Zusammenhang mit dem aktuellen Fall hatten sie sich in den letzten Tagen häufig gesehen. Seit ihrem gemeinsamen Abendessen waren ihre Begegnungen deutlich entspannter, aber nicht frei von diesem gewissen Kribbeln im Bauch. Allerdings konnte er sich nicht denken, warum sie ihn heute, an einem Samstag, anrief.
Hoffentlich gab es nicht schon wieder eine Straftat im Rotlichtmilieu. Heute wollte Schwiete nicht arbeiten. Heute wollte er faul sein, seinen Fisch besuchen und die Seele baumeln lassen. Umso überraschter war er, als Karen Raabe ihn fragte, ob er ihr heute mit ihr essen gehen wolle.
Das war eine völlig neue Erfahrung für Schwiete. Eine Frau rief bei ihm an und wollte mit ihm essen gehen. Warum nicht?, dachte er, und so verabredeten sie sich für neunzehn Uhr in Silos Kebaphaus, was für ihre frische Bekanntschaft bereits so etwas wie eine kleine Tradition darstellte.
»Ach, noch eine kleine Anmerkung, Herr Schwiete«, bemerkte Karen Raabe, und Schwiete glaubte sie fast
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