Totensonntag: Ein Westfalen-Krimi (Westfalen-Krimis) (German Edition)
Runde Raki. Der Wirt hatte noch einen ausgegeben. Jetzt muss ich aber unbedingt die Kurve kriegen, dachte Schwiete und spannte seinen Körper an.
»Das ist aber der letzte Schnaps, den ich trinke! Ich habe morgen einen anstrengenden Tag«, sagte er, musste sich aber eingestehen, dass es ihm hier, in dieser Kneipe, mit seinen Nachbarn gefiel. Dennoch siegte sein Pflichtbewusstsein.
»Schade, dass Sie schon gehen wollen. Wir reden doch so selten miteinander«, meinte Künnemeier. »Ich wollte euch beide doch immer schon mal fragen, warum ihr eigentlich nicht verheiratet seid. Ich meine, bei Johnny ist das vielleicht noch zu erklären. Welche Frau will schon mit so einem Gammler zusammenleben? Aber Sie, Herr Hauptkommissar, Sie sind doch Beamter!«
Winter unterbrach die Überlegungen von Künnemeier. »Och, nee! Jetzt nicht das Thema!«, brach es aus ihm heraus. »Komm, Willi, darüber reden wir ein anderes Mal. Ich muss morgen auch früh raus, Taxi fahren. Und du, Horst, bist heute eingeladen«, sagte er zu Schwiete, bevor er sich an den Wirt wandte: »Mesut, ich habe gerade kein Geld dabei. Ich bezahle Samstag.«
20
Der notorische Frühaufsteher Horst Schwiete hatte für den nächsten Tag um acht Uhr morgens einen Termin beim Ehepaar Hermskötter ausgemacht. Doch als der Wecker klingelte, dessen Signal er normalerweise nie hörte, weil er lange davor aufzuwachen pflegte, erinnerten Schwiete die augenblicklich auftretenden Kopfschmerzen an jeden einzelnen Raki, den er gestern getrunken hatte. Mit schmerzverzerrtem Gesicht schloss er seine Augen wieder und ließ den Kopf in die Kissen sinken.
Für seine Verhältnisse hatten sie in dem Lokal viel zu viel getrunken. Aber dennoch hatte der Abend ihm gefallen. Das Zusammentreffen sollte man wiederholen, vielleicht mit ein paar Schnäpsen weniger.
Walter Hermskötter hatte am Telefon versprochen, eine Tasse Kaffee und ein Brötchen für Schwiete parat zu haben. Alle Versuche des Polizisten, ihm den ausschließlich dienstlichen Zweck des Besuches deutlich zu machen, waren verpufft.
Nun stand er vor der Haustür der Hermskötters. Die Ruinen des Hauses gegenüber rauchten nicht mehr, der Dauerregen hatte alles, was noch hätte schwelen können, zu klebriger Asche werden lassen. Es sah trostlos aus. Rund um das Unglücksgrundstück flatterte das rotweiße Absperrband der Polizei im leichten Wind und sperrte Neugierige aus.
Im schmalen, sehr warmen Flur des Hermskötterschen Hauses schlug Schwiete eine Mischung aus süßlich parfümierten Trockenblumen und Grünkohlgeruch entgegen. Für kurze Zeit blieb ihm die Luft weg. Eine kleine Katze huschte um die Ecke und verschwand gleich wieder, als sie Schwiete bemerkte. Frau Hermskötter hatte auf dem Wohnzimmertisch ein komplettes Frühstück aufgebaut. Schwiete war weder hungrig, noch hatte er so viel Zeit mitgebracht, aber er war wider Willen ein wenig gerührt über die Bemühungen des Ehepaares. Nach der ersten Tasse Kaffee und dem ersten Brötchen wollte Schwiete mit der Befragung beginnen, musste sich aber vorher noch die Beschwerde des Ehepaares anhören.
»Also, Ihr Kollege«, dröhnte Walter Hermskötter, dem noch immer mehrere Heftpflaster im Gesicht klebten, »den Namen habe ich vergessen, der soll mir noch mal unter die Augen kommen. Der hat uns ja behandelt wie Bittsteller. Dabei wollten wir nur unsere Pflicht tun und berichten, was wir gesehen haben. Das sollten Sie mal Ihrem Chef erzählen, dem Polizeipräsidenten.«
Bevor Schwiete dazu kam, seinem Gastgeber zu erklären, dass sein oberster Vorgesetzter nicht Polizeipräsident war, sondern Landrat, erschrak er heftig, weil etwas an seinem Hosenbein entlanggestrichen war.
Frau Hermskötter lachte und sagte: »Keine Angst! Das war nur Natascha. Die schmust gerne.«
Schwiete starrte unter den Tisch und sah die schwarz-weiß gestreifte Katze, die er vorher bereits im Flur bemerkt hatte. Er konnte Katzen einfach nicht leiden, wollte sich das aber nicht anmerken lassen.
»Ja, das ist die Katze, über die wir mit Ihrem Kollegen sprechen wollten«, mischte sich der Herr des Hauses wieder ein. Frau Hermskötter fügte sich klaglos in ihre Rolle als Hausfrau, schenkte Kaffee nach und überließ ihrem Ehemann das Reden. Der rutschte schon aufgeregt von einer Pobacke auf die andere und legte dem Kommissar seinen Bericht vor. Ausschweifend erzählte er vom furchtbaren Wetter am Sonntag und vom Besuch der jungen Frau von gegenüber.
»Wissen Sie, Herr Kommissar,
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