Totensonntag: Ein Westfalen-Krimi (Westfalen-Krimis) (German Edition)
schon verdammt ähnlich, dachte er. Kein Wunder, dass er sich geirrt hatte.
Plötzlich wurde Winter jäh aus seinen Gedanken gerissen. Was war mit seinen Schuhen los? Er hatte tatsächlich nasse Füße. Winters fassungsloser Blick wanderte in den Fußraum des Autos. Ein dünnes, aber stetiges Rinnsal Wasser zwängte sich an den Gummidichtungen der Türen vorbei und floss ins Innere des Wagens. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich der Wasserpegel im Auto dem der Dielenpader angepasst hatte. Das Quellbecken war an dieser Stelle etwa einen halben Meter tief.
Winter rechnete hastig, kalkulierte die Reifen mit ein und vermutete, dass über kurz oder lang das Wasser den gesamten Fußraum des Autos überflutet haben würde. Wie sollte er das seinem Chef erklären? Wer würde den Schaden bezahlen?
Plötzlich ging ein Leuchten über das faltige Gesicht von Künnemeier. Er zog ein Handy aus der Innentasche seiner dunkelgrauen Steppjacke, wählte eine Nummer, wartete und sagte dann: »Willi hier. Hallo, Hans-Hermann. Du wunderst dich vielleicht, warum ich so spät noch anrufe, aber ich brauche deine Hilfe. Ja, jetzt sofort. Du hast doch so einen großen Geländewagen mit ´ner Winde dran, oder?«
Künnemeier beschrieb seinem Gesprächspartner den genauen Standort und nahm wenig später zufrieden grinsend das Handy vom Ohr. »Ist ein alter Schützenbruder von mir. Maspernkompanie, versteht sich. Der wird uns gleich rausziehen. Er ist in ein paar Minuten da. Ich rufe jetzt noch ein paar andere Jungs von der alten Garde an. Wir brauchen noch ein paar Hände mehr.«
Winter kontrollierte immer wieder besorgt den Wasserstand im Fahrgastraum. Aber so ein Mercedes schien ziemlich dicht zu sein, denn der Pegel stieg nur langsam. Zum Glück war es finstere Nacht bei schlechtem Wetter. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein nächtlicher Spaziergänger das Taxi im Wasser stehen sah, war gering.
Zwei Minuten später traf der erste Schützenbruder ein, kurz darauf sah Winter hinter sich das grelle Licht eines Scheinwerfers auftauchen. Es kam näher und blieb schließlich am Ufer des Quellbeckens stehen.
»Das ist Hans-Hermann mit seinem Geländewagen. Guter Junge!«, sagte Künnemeier erfreut. Viel sehen konnten die beiden Männer im Taxi nicht, da sie vom Licht des Geländewagens geblendet wurden. Ein Mann stieg ins Wasser und näherte sich langsam dem Taxi. Plötzlich klingelte Künnemeiers Handy.
»Ja, ja, alles klar. Kapiert. Ja, machen wir!«, sagte er und erklärte an Winter gewandt: »Herbert versucht jetzt, das Stahlseil an der Abschleppvorrichtung des Taxis zu befestigen. Du solltest dafür sorgen, dass der Gang raus ist und alle Bremsen gelöst sind. Aber erst, wenn Herbert ans Auto klopft. Alles klar?«
Winters Anteil an der Rettungsaktion war durchaus überschaubar, also nickte er gottergeben.
Es dauerte volle drei Minuten, dann klopfte der Mann mit dem Stahlseil an die Heckscheibe des Mercedes. Winter tat, wie ihm aufgetragen worden war. Der Mann watete wieder zum Ufer, und bald hörten sie, wie der Motor des Geländewagens wieder ansprang. Fast im selben Augenblick gab es einen Ruck im Taxi, und dann spürten sie, wie der Mercedes langsam, aber stetig an Land gezogen wurde. Immer weiter aus diesem verfluchten Quellbecken, das Winter nie wieder ohne Magengrummeln würde sehen können.
Schließlich stand das Taxi vor Nässe triefend auf dem Kopfsteinpflaster. Künnemeier kletterte lachend heraus und begrüßte seine Schützenbrüder. Winter hatte diese Truppe munterer älterer Herren bereits vor einem Jahr kennengelernt, als er sich vor der Polizei verstecken musste und die Männer ihn in Hövekens Sarglager überrascht hatten. Nun gab es ein großes Hallo und Künnemeier musste ihnen erklären, wie und warum sie in dieses Wasser gefahren waren. Dabei war er so klug, nur das Nötigste preiszugeben. Dann schoben die Schützen mit vereinten Kräften den Mercedes wieder in die korrekte Richtung und befestigten ein normales Abschleppseil an dem Geländewagen.
»Was habt ihr vor?«, fragte Winter erstaunt.
»Mit dieser Karre kannst du erst einmal nicht fahren, mein Junge«, meinte Künnemeier. »Hans-Hermann war vierzig Jahre lang Automechaniker und hatte eine kleine Werkstatt. Die gehört inzwischen seinem Sohn, aber das macht nichts. Er wird dich abschleppen, dein wunderbares Taxi soweit es geht in Ordnung bringen, und dann kannst du es deinem Chef zurückgeben. Der wird nichts merken, glaub es mir. Es geht nichts über
Weitere Kostenlose Bücher