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Totensonntag

Totensonntag

Titel: Totensonntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Jürgen; Tewes Reitemeier
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Patrick Rademacher hatte er entschieden, diese Angelegenheit nun doch, entgegen seiner ersten Planung, zur Chefsache zu machen. Rademacher war ehrgeizig, schoss aber oft über das Ziel hinaus und war dadurch nur bedingt verwendbar, fand er.
    Und Mike? Mike war stark und rücksichtslos und – wenn es hart auf hart kam – gut zu gebrauchen. Aber für eine Vernehmung fehlte es ihm einfach an Grips. Hatzfeld brauchte Informationen. Er musste herausfinden, wie viel Kloppenburg über seine geschäftlichen Verflechtungen wusste und ob er tatsächlich ein Risiko für ihn darstellte.
    Er löschte das Licht, ging hinaus und schloss die Haustür ab. Draußen empfing ihn eine dunkle, mondlose Nacht. Eine einzelne Straßenlaterne kämpfte gegen die totale Finsternis an – mit mäßigem Erfolg. Er wollte eben mit der Fernbedienung das Garagentor öffnen, als sein Blick eher zufällig auf das Pflaster fiel und er dort einen Frauenschuh liegen sah. Einen roten, hochhackigen Frauenschuh. Keinen Schuh, den eine solide Ehefrau tragen würde. Sehr auffällig, sehr aufreizend, etwas nuttig.
    Hatzfeld runzelte die Stirn. Er konnte sich keinen Reim darauf machen. Wie kam dieser Schuh auf sein Grundstück? Neugierig schaute er sich weiter um. Aus seiner Neugier wurde Unruhe, als er zwei Meter weiter, an der Ecke der Garage, einen zweiten Schuh sah. Offenbar das passende Gegenstück zum ersten. Neben der Garage führte ein kleiner Pfad in den Gartenbereich dahinter. Hatzfeld aktivierte die Taschenlampen-App seines Handys, um diesen Bereich auszuleuchten. Sofort sah er seine Befürchtung bestätigt: Ein grüner Damenblazer lag zerknüllt auf der Erde. Was war hier los?
    Seine Unruhe wuchs. Langsam ging er zu dem Kleidungsstück und hob es auf. Er fragte sich, ob ihm dieser Blazer vielleicht bekannt vorkam, aber vor seinem inneren Auge erschien kein dazugehöriges Gesicht. Das musste aber nichts heißen, denn wie bei nahezu allen Männern galt seine Aufmerksamkeit in der Regel weniger der Kleidung einer Frau als dem, was darunter zu erwarten war. Hatzfeld ging ein paar Schritte weiter. Am Ende der Garage lag eine Bluse. Zerknüllt und achtlos in den Dreck geworfen.
    Er bückte sich, um sich die Bluse näher anzuschauen. Als er sie in die Hand nahm, hörte er neben sich ein leises Rascheln. Er drehte schnell den Kopf in die Richtung des Geräusches, sah eine hoch aufgerichtete dunkle Gestalt vor sich, dann spürte er noch ganz kurz einen kaum zu ertragenden Schmerz, bevor ihm die Sinne schwanden.

50
    Warum hatte er das nur getan? Nächste Woche wurde er fünfzig Jahre alt. Eine halbes Jahrhundert! Während dieser gesamten Zeit war Schwiete nicht ein einziges Mal mit einer Frau ausgegangen. Er hatte sich einfach nicht getraut, obwohl er sogar vermutet hatte, dass ihn die eine oder andere Frau, die ihm im Laufe seines Lebens begegnet war, nett gefunden hatte und ihm sicher keinen Korb gegeben hätte, wenn er sie zum Essen oder auf ein Bier eingeladen hätte.
    Als junger Mann hatte er darunter gelitten, dass er in dieser Frage so unbedarft war. Vielleicht hatte es ja mit dem frühen Tod seiner Mutter zu tun. Um ihn hatte sich ja ausschließlich sein Vater gekümmert.
    Oft hatte er damals nachts wach gelegen und darüber nachgedacht, wie er es wohl anstellen könnte, eine Frau um ein Rendezvous zu bitten. Die Ergebnisse seiner Grübeleien waren am nächsten Morgen jedoch immer wieder über den Haufen geworfen worden. Also hatte er seine Theorien über das Ausgehen mit Frauen nie auf Realitätstauglichkeit geprüft. Den Feldversuch, eine Frau zu bitten, sich mit ihm zu treffen, hatte Schwiete ein Leben lang gescheut.
    Irgendwann hatte er aufgegeben, darüber nachzudenken. Seitdem hatte er für sich Lebensbedingungen geschaffen, in denen eine Freundin oder gar Frau keine Rolle spielte. In dieser Angelegenheit war er zum Neutrum mutiert.
    Schwiete war gut mit diesem Zustand klargekommen. Und dann hatte er diese Karen Raabe getroffen, hatte ihr in die wunderschönen grünen Augen geblickt, war von diesem sinnlichen Lächeln, das ihren etwas zu breiten Mund umspielte, fasziniert gewesen. Und dann hatte ihn der Teufel geritten.
    Schwiete, du Idiot!, schalt er sich. Fünfzig Jahre bekommst du es nicht hin, eine Frau zu fragen, ob sie mit dir essen geht. Und dann traust du dich einmal, und wohin lädst du sie ein? In eine Dönerbude.
    Jetzt stand er vor seinem Kleiderschrank und stellte sich die alles entscheidende Frage: Was ziehe ich an? Schon wieder

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