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Totenstadt

Totenstadt

Titel: Totenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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nur seine Moskitostiche wund; es war ein Wunder, dass er überhaupt noch Blut in sich hatte.
    Duchamp gesellte sich zu ihm und stieß ihn gut gelaunt mit dem Ellbogen an. »Sie sehen viel zu durstig aus, um ein nettes kaltes Bier im Belisaire’s zu verschmähen.«
    »Ist das das Loch, aus dem Sie heute Morgen gekrochen sind?«
    »Genau das.«
    »Nur zu.« Finch drehte sich zu Dorcilus um. »Ist das o.k. für dich?«
    Das war es in der Tat. Ihnen war schon vor viel zu langer Zeit das Bier ausgegangen. Duchamp sah mit spottender Verachtung auf den erbärmlichen Fang, den Finch mit sich trug. »Vielleicht sollten wir Ihnen auch noch eine schöne Schüssel Gumbo spendieren.«
    Sie wanderten ins Dorf zurück, wo sie schon der Essensgeruch erwartete, der schwer und bodenständig exotisch in der Luft hing. Auf einer winzigen Veranda in der Nähe geigte ein ausgezehrter alter Knabe in einem Overall sorglos auf einer Violine vor sich hin, während er von einem anderen auf dem Akkordeon begleitet wurde. Nicht weit davon entfernt hobelte ein junger Handwerker Holzspäne von einem grob behauenen Sarg, die sich in steifen Locken auf dem Boden um seine Füße herum ringelten.
    Die Fallen schienen an diesem Tag gut gefüllt gewesen zu sein. Finch bemerkte, dass das Holzregal, das bei Morgengrauen noch leer gewesen war, nun von einer frisch enthäuteten Bisamratte, einem Nerz und einem Waschbär belegt war, deren feuchte Pelze zum Trocknen auf Nägel aufgespannt waren.
    Das Innere des Belisaire’s setzte neue Standards, was den Begriff rustikal betraf, aber es war ein Zeichen der Zivilisation, und das war gut genug für Finch. Die niedrige Decke bestand aus grob behauenen Baumstämmen, und es standen einige Tische aus alten Whiskeyfässern mit einer Platte aus Sperrholz herum. Alligatorhäute, die man mitten auf dem Bauch aufgeschnitten und seitlich abgezogen hatte, hingen ausgebreitet an zweien der Wände. Nach einer kurzen Vorstellung und einem nicht zu knappen Austausch von unverständlichen gemurmelten französischen Bemerkungen setzten sich Finch und Dorcilus an ein Fass in der Ecke. Finch hakte einen Fuß um das Bein eines in der Nähe stehenden Stuhls und zog ihn so näher, damit er sein schmerzendes Knie ausstrecken und entlasten konnte.
    Belisaire, der beinahe so rund war wie seine Tische, kam persönlich hinüber und stellte vor jeden von ihnen ein Lone Star in der langhalsigen Flasche. Zwei Dollar pro Bier, das war fast schon Straßenraub; ein verdammt hoher Preis, aber Dorcilus zahlte und beschwerte sich nicht.
    Finch warf einen Blick hinter die Bar – die nichts weiter war als eine siamesische Viererform der Tische – und sah mehrere Schankstubenkisten voller Lone Star. Er lächelte und roch die Illegalität quer durch den Raum. Vielleicht ein entführter LKW aus einem Staat, der diesen Bauerntölpeln so weit entfernt vorkommen würde wie Malaysia.
    »Emile hat mir erzählt, dass ihr Jungs was zu essen braucht«, sagte Belisaire, als er die vier Dollar eingesteckt hatte.
    Finch lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und beäugte das Lone Star mit einer vorsichtig hochgezogenen Augenbraue. »Wie viel?«
    Belisaire klopfte ihm auf die Schulter und lachte dabei kräftig. »Die heutige Spezialität! Für glücklose Angler geht das Essen aufs Haus, jawohl!«
    »Ich passe«, erwiderte Finch. Sein Stolz war gefährlich am Wanken.
    »Ach was, ich hab dir doch nichts getan. Meine Frau kocht ein Flusskrebs-Étouffée, und ich bin mir sicher, dass noch eine Menge übrig bleibt. Bleib einfach hier sitzen, mein Sohn.«
    Finch und Dorcilus sanken auf ihren Stühlen in sich zusammen und genossen träge ihr Bier. Es war ein langer, ermüdender Tag. Ein heißer Tag. Finchs Kleidung stank nach dunklem Wasser, Fisch und Schweiß; was auf coole Machoart insgesamt gar nicht mal so unangenehm war.
    »Ich hab eine Idee«, sagte Finch. Das Bier war fast leer und ihm direkt zu Kopf gestiegen. Vielleicht hatte er auch einfach zu viel Sonne abbekommen. »Lass uns Geheimnisse austauschen, ja? Ich erzähl dir eins von meinen und du mir eins von deinen. Klingt das fair?«
    Dorcilus warf ihm über den Flaschenhals hinweg einen Blick zu, dann zeigte sich ein breites Grinsen auf seinem fröhlichen dunklen Gesicht. »Ich spiel mit.«
    »Ich zuerst. Okay.« Er wusste schon die ganze Zeit, was er fragen wollte. An diesem Abend schien es von besonders großer Bedeutung zu sein. »Wie kam es wirklich, dass du vor sechs Jahren aus Haiti abgehauen bist?

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