Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totenstadt

Totenstadt

Titel: Totenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
Vom Netzwerk:
Vergiss die anderen Kerle auf eurer kleinen Flottille, es geht nur um dich. Ich glaube genauso wenig, dass du ein Staatsfeind bist, wie, dass du der erste farbige Papst der Welt wirst.«
    Dorcilus spülte sich den Mund mit texanischem Gebräu aus und seufzte. Dann schüttelte er reumütig den Kopf und brachte schließlich eine Lüge hervor. »Ich habe trotzdem Feinde dort. Das ist die Wahrheit.«
    Finch grinste und hatte Blut geleckt. »Warum?«
    »Es gab da diese Frau. Alliacine war ihr Name … hmmm. Sie war eine gute Frau. Eine Frau, wie sie die Loa auf die Erde schicken, um die Männer in Versuchung zu führen.« Er lächelte, als die leidenschaftlichen Erinnerungen in ihm hochkamen, dann verdrängte er sie wieder. »Sie war mit einem Offizier von Duvaliers Tonton Macoute verheiratet, und das erfuhr ich erst, als es schon zu spät war. Als er bereits von mir wusste.«
    Finch nickte. Das war’s? Er hatte mehr erwartet, etwas, das ihm als Hinweis dienen würde, worum es bei diesem Trip zum Bayou Rouge eigentlich ging. Und ein lange vergangenes Techtelmechtel mit der Frau eines Offiziers der haitianischen Geheimpolizei – unter einem Regime, das nur wenige Monate nach Dorcys Flucht der Revolution zum Opfer gefallen war – war nicht gerade viel. Es sei denn, Fonterelle nahm ihn erneut auf die Schippe. Doch diesen Eindruck hatte er nicht. Die Nostalgie des Fleisches und der Leidenschaft zeichnete sich zu deutlich auf seinem Gesicht ab. Dies war keine aufschneiderische Prahlerei, dass er eine Art Revolutionär gewesen sei, was er leicht als Lüge durchschaut hätte.
    Ehebruch, hm. Zieh die Hosen hoch und sieh zu, dass du aus der Stadt verschwindest. Dann waren das damals und das heute zwei verschiedene Paar Schuhe.
    »Und jetzt du.« Dorcilus grinste verschlagen und zielte mit der leeren Flasche auf ihn. »Und dieses Mal die Wahrheit. Wieso humpelst du?«
    »Das habe ich dir doch schon erzählt. Ich bin früher Motorrad gefahren und einmal böse gestürzt. Ich hatte Glück, dass sie mir nicht gleich das ganze Bein abnehmen mussten.«
    Dorcilus drohte ihm mit dem Finger. »Weißt du noch, als du letztes Wochenende nach dem letzten Bier umgekippt bist? Ich habe mir deinen Führerschein angesehen.« Er triumphierte, selbstgefällig und nervtötend. »Du bist gar nicht berechtigt, überhaupt Motorrad zu fahren.«
    Finch sank in seinem Stuhl zusammen. Mann, das war wirklich niederschmetternd. Wer hätte gedacht, dass jemand so listig sein würde und da nachsah? Aber er dachte sich, dass die Wahrheit auch nicht schaden konnte, zumindest nicht in diesem Fall. Sie würde doch nie diesen Tisch verlassen.
    »Vor einigen Jahren hatte ich diesen Truck. Einen Pick-up. Eine der Sicherungen ging nicht mehr, und ohne sie lief das Radio nicht, aber ich wollte nicht anhalten und sie austauschen.« Es war ihm so peinlich, dass sich seine Wangen röteten, er outete sich nicht gern als Trottel. »Es stellte sich heraus, dass eine Gewehrkugel Kaliber 22 perfekt in das Loch passte. Ich dachte, toll, weiter geht’s. Doch dann wurde die Kugel durch die Elektrizität so aufgeheizt, dass sie losging und mir ins verdammte Knie schoss. So war’s. Bist du jetzt zufrieden?«
    Er hatte mit einer erneuten Zurschaustellung der Belustigung gerechnet, um den »Mach Finch fertig«-Tag zu vervollständigen, aber etwas Derartiges kam nicht. Dorcilus nickte einfach nur nachdenklich und irgendwie mitfühlend.
    »Das tut mir sehr leid«, sagte er sanft. »Ich habe gesehen, was Kugeln Menschen antun können.«
    Großer Gott, warum musste er denn jetzt so etwas sagen? Warum konnte er nicht weiterhin der eingebildete Sportler sein, der vorhin die ganzen Fische aus dem Wasser geholt hatte? Er machte die Sache damit überhaupt nicht leichter.
    »Ja, nun, ist keine große Sache.« Finch versuchte, dem Zwischenfall keine große Bedeutung zuzumessen. »Das sind sowieso ziemlich kleine Kugeln.«
    Er saß da und schäumte während des gesamten zweiten überteuerten Lone Stars. Das Flusskrebs-Étouffée war noch nicht auf ihrem Tisch gelandet, und er fragte sich, wo es blieb. Vielleicht war es nur eine List, damit sie einen Grund hatten, zu warten. Wenn es so war, dann war sie erfolgreich.
    Und nicht länger erforderlich.
    Finch hörte es schon vor Dorcilus, aber er hatte natürlich auch damit gerechnet. Darauf gewartet. Das leise, rhythmische Schlagen wirbelnder Flügel, das im Nordosten lauter wurde. Ein Geräusch, das jeden Vietnamveteranen, wenn denn einer da

Weitere Kostenlose Bücher