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Totenstadt

Totenstadt

Titel: Totenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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daran bestand, er könne auch nur die kleinste Kleinigkeit von dem, was geschah, verpassen.
    Finch hatte solche Gerüchte über Aal gehört; der Kerl machte ausgesprochen seltsame Dinge. Es wurde jedoch nur flüsternd darüber berichtet, die Wände hatten Ohren. Finch hatte es als mystischen Unsinn abgetan, zu dem vielleicht noch eine Prise Aberglaube kam, und alles auf Aals außerweltliche Visage geschoben.
    Und jetzt? Jetzt war er ein wahrer Gläubiger.
    Während Aal seine Zeremonie durchführte, joggte einer der Gewehrträger zurück zum Hubschrauber. Er brachte einen Porzellantopf mit zurück, der so klein war, dass er vielleicht zwei Liter fassen konnte. Er nahm den Deckel ab und stellte sich wie ein Akolyth parat, während Aal ein Messer mit einem Knochengriff daraus hervorholte und sich über den Sarg beugte.
    Finch unterdrückte den Drang, aufzuspringen, als er erkannte, dass es hier nicht ums Abschlachten ging. Der Albino schnitt vorsichtig Haarlocken von Dorcys Kopf, Brust, linker Achselhöhle und aus dem Schambereich ab. Als er alles beisammenhatte, platzierte Aal sie in der Mitte eines grünen Bananenblattes, das in dem Gefäß befördert worden war. Als Nächstes schnitt er Stücke der Nägel an Dorcys linkem Fuß und linker Hand ab, wobei er mit rascher chirurgischer Präzision vorging. Die Nagelstücke verteilte er auf dem abgeschnittenen Haar, und dann brachte ihm einer der Cajun einen weißen jungen Hahn, dessen gelbe Beine mit einer dünnen Kordel zusammengebunden waren. Er gackerte unglücklich und hing kopfüber in Aals Faust, und der Cajun zog sich schnell wieder zurück. Kein Wunder.
    Aal ging ohne Mitleid und ohne zu zögern vor. Er riss den Schnabel des Hahns auf und zog mit Daumen und Zeigefinger dessen Zunge hervor. Dann packte er seine Flügel und verdrehte ihm mit einem gewaltigen Ruck den Kopf, bis er diesen abgerissen in den Händen hielt. Blut drang aus dem Stumpen hervor, und Aal schüttelte den Vogel über dem Sarg, um Dorcy mit der roten Flüssigkeit zu besprenkeln. Eifrig begann er, den Kadaver zu zerfetzen und große Federbüschel herauszureißen. Einige warf er in den Sarg, andere betröpfelte er mit dem Blut und vermischte sie mit den Haaren und den Nagelstücken. Dann schleuderte er den toten Vogel zu Boden, wo er mit einem Platschen aufkam.
    Finch sah mit angehaltenem Atem zu … er wagte nicht einmal mehr, sich zu bewegen. Aals weißer Anzug war völlig ruiniert, und Finch konnte in diesem Moment an nichts anderes denken als an dessen gottverdammte Reinigungsrechnung. Das weiße Gesicht des Mannes war voller Blutflecken, und es glänzte mit einer Intensität, die Finch gar nicht erst verstehen wollte. Er hielt den Atem an, während sich Aal hinkniete, sorgfältig das Bananenblatt und seine schaurigen Schmuckstücke zu einem ordentlichen Bündel zusammenrollte und dieses in das Porzellangefäß legte. Dann verschloss es Aal wieder mit dem Deckel und steckte es sich unter einen Arm, während er sich erhob und seine beiden Begleiter ansah. Er nickte in Richtung des Sarges.
    »Begrabt ihn«, sagte er. Und lächelte.
    Aal deutete auf eine Baumreihe am Rand des Dorfes in einiger Entfernung in Richtung der herannahenden Dämmerung. Diese bemoosten Äste waren zufällig gestaltete Bögen einer düsteren Kathedrale. Da. Es war Finch zuvor noch nicht aufgefallen, aber direkt unter den Bäumen befand sich eindeutig ein Erdhaufen, der von einem frisch ausgehobenen Grab stammte. Das nur noch auf einen Bewohner wartete.
    Die beiden Vollstrecker hoben den Sargdeckel vom Boden; direkt darunter lagen auch Hämmer und Nägel. Sie passten den Deckel an und sorgten dafür, dass Dorcilus Fonterelles starrende Augen das ersterbende Sonnenlicht nicht mehr erblicken konnten.
    Das plötzliche einträchtige Hämmern klang sehr laut.
    Finch kauerte noch immer an seinem Kotflügel, als Aal auf ihn zukam. Was tun, was sagen, was glauben? Er war nicht daran gewöhnt, seine Freunde an Mörder zu verkaufen, und noch viel weniger an unzivilisierte Rituale und das Begraben lebendiger Menschen.
    Der Topf klapperte erneut, als ihn Aal auf der Motorhaube des Chevys platzierte. Man konnte ihn wohl kaum darum bitten, ihn irgendwo anders hinzustellen. Der Wagen würde von nun an besudelt sein. Es war wohl Zeit, ihn in Zahlung zu geben.
    »Wie gesagt«, setzte Aal mit sanfter Stimme an, »gute Arbeit.« Er griff in die Innentasche seiner Jacke und holte ein Bündel steifer Geldscheine hervor. Diese stopfte er mit der

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