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Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)

Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)

Titel: Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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sage nur, was Janette mir gesagt hat … Es müsse jemand mit Narben sein.«
    Ich lachte lauthals. »Wollen Sie mich verkackeiern?«
    Stille. Mein Handyverstärker rauschte. Ich zündete mir eine Zigarette an. »Kann ein Geist eigentlich an zwei Orten gleichzeitig erscheinen?«
    »Geister sind nicht unserer Zeit unterworfen.«
    »Aber sie erscheinen immer nur nachts.«
    »Nein. Wir wissen auch von Tagesspuks. Allerdings ist es nachts ruhiger, weniger Schwingungen. Lassen Sie es mich so ausdrücken: Nachts schlafen die meisten Menschen. Da sind weniger Gedanken in der Luft, gewissermaßen. Und wir hören die Toten besser.«
    »Aha!« Ich erzählte ihr von unserem Tischrücken.
    Pause.
    »Was sagen Sie dazu?«, schubste ich sie an.
    »Nun … ich war nicht dabei. Daher lässt sich schwer sagen, ob Rosenfelds Geist tatsächlich präsent war oder ob es nur … verstehen Sie … So wie Sie es mir erzählt haben, war es eher ein Gesellschaftsspiel. Ein Partygag. Natürlich kann sich dabei auch etwas ereignen.«
    »Und was halten Sie von dem Hinweis auf Neuschwanstein?«
    »Wie gesagt …« Ihre Stimme versackte in Stille.
    »Verstehe. Wären Sie und Ihre Truppe bereit, eine PU in Neuschwanstein zu machen?«
    Jetzt lachte Kitty laut. »Was glauben Sie, wie oft wir schon versucht haben, nach Neuschwanstein reinzukommen? Ich meine, außerhalb der Besuchszeiten, nachts. Null Chance!«
    Ich überlegte, ob ein Oberstaatsanwalt beim Stuttgarter Landgericht einen Richter bewegen konnte, einen Beschluss zu unterschreiben, der eine spiritistische Sitzung bei Nacht im Schloss Neuschwanstein anordnete. »Dann machen wir es eben bei laufendem Betrieb.«
    »Waren Sie schon mal dort?«
    »Nein. Ich interessiere mich nicht für Adelshäuser.«
    Die Nachfahrin der Retterin von Hohenzollern-Sigmaringen schluckte. Vielleicht war es aber auch nur eine ihrer regulären Pausen. »Ohne Führung kommen Sie da nicht hinein. Und Sie dürfen nicht fotografieren oder filmen. Wir könnten keinerlei Messungen vornehmen und keine Daten sammeln.«
    »Auf den elektronischen Beleg würde ich in diesem Fall verzichten. Wenn Rosenfeld dafür sein schreckliches Geheimnis preisgibt.«
    Das Lustige war, dass ich Kitty gar nicht vom Sinn eines solchen Unternehmens überzeugen musste. Schwieriger würde das bei Richard werden. Und er musste mit. Denn wenn ein Physiker und Psychologe wie Rosenfeld ein Medium suchte, das ihm geistig gewachsen war, dann nicht mich, sondern einen Mann wie Richard mit starkem Verstand und kritischem Sinn, ein Skeptiker, der, wenn er erst einmal überzeugt war, nicht ablassen würde, bis das Rätsel gelöst war. Narben besaß auch er, nur weniger deutlich sichtbare. Sie lagen verborgen unter seiner textilen Schale von Eleganz und Lebensplan.
    Dabei glaubte ich nicht daran. Ehrlich. Aber nach all den Jahren, die ich zuerst für das Emanzenblatt Amazone , dann für den Stuttgarter Anzeiger und jetzt für die Sonntagsbeilagen der Südwestpresse durchs süddeutsche Kuriositätenkabinett geturnt war, hatte ich begonnen, daran zu glauben, dass ich Journalistin war. Und für eine gute Show und eine krasse Story konnte ich meine persönlichen Überzeugungen auch einmal hintanstellen.
    Vielleicht war das der Moment, wo ich Teil der Verschwörung wurde. Als ich nämlich einschwenkte und so tat, als hielte ich es für möglich, dass Rosenfelds Geist uns in Neuschwanstein das Geheimnis seines Todes eröffnen würde, obgleich ich eigentlich nur Richards neuronale Datenbanken anzapfen wollte. Denn insgeheim war ich überzeugt, dass er beim Stehtischrücken einen größeren Beitrag zur Verrätselung der Causa Rosenfeld geleistet hatte, als ihm selbst bewusst war. Statt des rationalen Wegs, ihn so lange zu löchern und zu piesacken, bis er mir verriet, was er bereits wusste, was er ahnte und was er befürchtete, schlug ich den irrationalen ein.
    Den Rest des Nachmittags verbrachte ich im weltweiten Netz. Ich fragte meine Freunde in Facebook, was ihnen zu einer Leiche einfalle, die sich auf einer Wasserburg in einem verschlossenen Zimmer befand. Geheimtüren nicht bekannt, der Weg durch die Fenster nachweislich unmöglich, weil das Eis des Wassergrabens andernfalls hätte beschädigt sein müssen, der Weg durch die Tür ebenfalls verwehrt, weil die Füße des Toten sie versperrten.
    Und ich fand heraus, dass es sich bei dem Flugzeugabsturz, von dessen spukhaften Begleiterscheinungen die junge Staatsanwältin erzählt hatte, um den von 1991 im

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