Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)
in ähnlicher Höhe gegenüberstehen, so dass am Jahresende immer wieder eine 5 vorne steht. Alles sehr solide, Lisa. Sehr solide.«
»Und wer hat die Stiftung gegründet?«
»Gegründet wurde sie 1989 mit einer Einlage von damals 900 000 D -Mark aus dem Erbe einer Hamburgerin und Anhängerin des Spiritismus, der auch die Villa an der Elbchaussee gehörte. Die Einlage wurde 1997 aus dem Privatvermögen des Stiftungsvorsitzenden auf drei Millionen und 2009 durch eine Spende von Inter-Q-Orporate in Berlin auf die heutigen fünf Millionen erhöht. IQO vertreibt Kommunikationssysteme und ist eine Tochter des Flugzeug- und Rüstungskonzerns QarQ.«
»Oha!«
»Ja, Lisa.« Die Krawatte fuhr wie eine Schlange aus seinem Kragen. »Das sind die Bösen.«
Solche Abkürzungen zur Klassifizierung hochkomplexer wirtschaftlicher Verflechtungen erlaubte Richard sich selten. Aber QarQ war ein Sonderfall. Erst kürzlich hatte der Artikel eines Zeitungsjournalisten Aufsehen erregt, der in Spanien ein Tochterunternehmen von QarQ aufgespürt hatte, das Streubomben fertigte und an Despoten lieferte, die ihre Armeen bevorzugt die eigene Bevölkerung massakrieren ließen. Derzeit gerade in der arabischen Welt.
»Und warum gibt eine solche Firma Geld für parapsychologische Studien her?«, fragte ich. »Auch wenn zwei Millionen eher wenig sind.«
»Das hat der US -Flugzeugbauer Boeing schon in den dreißiger Jahren getan. Man wollte herausfinden, ob ein Mensch die Instrumente im Cockpit mental beeinflussen könnte.«
Ich zupfte ihm das Hemd aus dem Hosenbund. »Und ein Unternehmen wie QarQ, das sich mit Weltherrschaftsinstrumenten wie Internetkommunikation und Kriegstechnik befasst, will nun auch wissen, ob ein Mensch ihre Systeme manipulieren könnte.«
»Oder die der Konkurrenten.« Er langte zum anderen Handgelenk und fummelte den Manschettenknopf aus der Manschette.
»Hast du schon mal mit dem Gedanken gespielt«, erkundigte ich mich, »dich sonntags etwas knopfärmer anzuziehen?«
»Wozu den Anzug für morgen auf dem Kleiderbügel mitbringen, wenn ich ihn am Leib tragen kann.«
Knopflogisch! Ich fuhr ihm über den muskelgeribbelten Bauch. Er zuckte. Der Nachteil des Sixpacks war seine Härte, aber Richard hatte auch weiche Stellen, beispielsweise oberhalb der Hüfte. Sogar er!
Er schnurrte. »Im Kuratorium der Stiftung sitzen fünf Leute: ein Physiker, ein Chemiker, ein Psychologe, eine Krankenhausärztin, ein Neurologe und ein Betriebswirtschaftler. Als Vorstand firmiert Oiger Groschenkamp, bekannt als Börsenspekulant und Aufkäufer von Zeitungen und Fernsehsendern. Er ist der Neffe der Dame mit den spiritistischen Neigungen und hat die Villa in Blankenese geerbt. 2001 hat er Burg Kalteneck erworben und ins Stiftungsvermögen eingebracht. Groschenkamp hält Anteile bei QarQ und IQO . Andererseits vergibt er über seine Privatbank Kleinkredite an Existenzgründer und mittelständische Betriebe hauptsächlich im norddeutschen Raum.«
»Das ist aber jetzt nicht der Gute.«
Richard deutete ein Achselzucken an. »Schwer zu sagen. Es gab vor ein paar Jahren in Börsenkreisen mal ein bisschen Aufregung, weil man meinte, eine seiner Zeitungen habe das Gerücht gestreut, eine italienische Bank sei pleite, was zur Pleite dieser Bank führte. Aber dass er dahintersteckte, ließ sich nicht beweisen. Groschenkamp hat es bislang geschafft, sich so gut wie ganz aus der öffentlichen Aufmerksamkeit herauszuhalten.«
»Dann sollten wir ihn mal besuchen.«
»Dafür gibt es nicht den geringsten Grund, Lisa.«
Ich gab Richard einen Stoß gegen die Schulter. »Dann streng dich halt ein bissle an!«
Richard fing sich mit einem raschen Schritt und schnappte meine Hand. »Das tue ich ja.« Er zog mich an sich. Ein feines Lächeln erschien auf seinen Lippen. »Nur Geduld.«
Richard lächelte selten und nie aus sozialtaktischen Gründen. Er gehörte zu den Männern, die bei Begrüßungen ernst blieben, insbesondere wenn sein Gegenüber mächtig war und die Geste freundlicher Unterwerfung erwartete. Richard hielt es mit Luther, er fürchtete nur Gott, und manchmal hatte ich den Verdacht, nicht einmal den. Aus nicht ganz nachvollziehbaren Gründen hatte er sich jedoch vor etlichen Jahren entschlossen, sich mir mit Haut und Haaren auszuliefern. Dabei hätte er jede haben können. Er war zwar kein schöner, aber ein attraktiver Mann, eher klein, dafür gut trainiert mit sturer Stirn, bissigem Kinn, heftiger Asymmetrie um die Augen und Zähnen,
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