Totenstimmung
Seitenflur kam eine schlanke Frau auf die beiden zu. Sie trug ein enges türkisfarbenes T - S hirt, dazu eine weit geschnittene Sporthose, ihr weißblondes Haar war kurz geschnitten. Eine stolze Friesin, dachte Ecki.
»Was kann ich für Sie tun?« Ihre Stimme klang angenehm und unerwartet dunkel.
Sie erklärten der Betreuerin den Grund ihres Besuches. Je mehr sie von den Beamten erfuhr, umso mehr verdunkelte sich der Blick hinter ihrer Brille.
»Tommy ist auf seinem Zimmer. Er fühlt sich nicht wohl. Er hat eine starke Erkältung. Ich möchte Sie bitten, auf einen Besuch bei ihm zu verzichten.«
Frank sah sich suchend im Foyer um. Zwei Rollstühle standen in einer Ecke, in einem lag eine Rolle oder Schlange aus Stoff, an einer Wand hingen bunte Bilder.
»Kommen Sie doch bitte mit in die Küche. Dort können wir reden. Sie haben Glück, die meisten unserer Bewohner sind noch in den Werkstätten. Ich habe ein bisschen Zeit für Sie, bevor ich mich um das Essen und die Wäsche kümmern muss. – Tee?«
Christiane Tenelsen führte sie in die geräumige Küche und brühte Tee auf. Frank und Ecki warteten mit ihren Fragen, bis der grüne Tee vor ihnen stand. Beide genossen die Ruhe, mit der die Betreuerin arbeitete. Ihre unaufgeregte Art, mit der sie die Polizeibeamten bediente, übertrug sich in kürzester Zeit auf Frank und Ecki. Beide spürten eine wohlige Gelassenheit.
»Wie kann ich Ihnen helfen?« Christiane Tenelsen trank vorsichtig schlürfend einen Schluck.
»Wie lange ist Tommy schon bei Ihnen?« Ecki legte seine Hände um den heißen Becher und zog sie sofort wieder weg.
»Seit vier Jahren. Soll ich das Datum nachsehen?«
Frank schüttelte den Kopf. »Hat Tommy Familie? Bekommt er Besuch, oder verbringt er seine freie Zeit oder seine Wochenenden außerhalb von Haus Emmaus?«
»Sie wissen, dass ich Ihnen das nicht so einfach sagen darf?«
Sie nickten.
Für Christiane Tenelsen war das Zustimmung genug. »Sie müssen mir versprechen, dass Sie beim Träger offiziell die Erlaubnis für dieses Gespräch einholen.«
Erneutes Nicken.
»Also gut. Tommy ist die meiste Zeit in der Werkstatt oder hier. Er geht nur selten in die Stadt. Er sitzt lieber in seinem Zimmer und hört Musik. Ab und zu geht er zum VFL .«
»Sie kennen die Menschen, zu denen er Kontakt hat?«
»Sie meinen, alle? Die meisten. Er kennt vielleicht auch Leute, die ansonsten keinen Kontakt zu uns haben.«
»Hält er sich auch schon mal am Rathaus in Rheydt auf?«
Christiane Tenelsen runzelte die Stirn. Ihr »Nein« klang eher fragend als bestimmt.
»Ausschließen können Sie es also nicht.«
Die Betreuerin trank einen Schluck und verneinte.
»Ist er für Geschenke empfänglich?«
»Wer ist das nicht? Möchten Sie Kekse zum Tee?«
»Ist er?« Frank hob ablehnend die Hand.
»Er bekommt gerne etwas geschenkt, ja. Aber das ist nichts Ungewöhnliches, oder?« Die Betreuerin sah unsicher zwischen den beiden hin und her. »Hat Tommy etwas angestellt?«
Ecki schüttelte den Kopf. »Keine Sorge. Es geht um ein Schweißband. Schwarz.«
Christiane Tenelsen dachte einen Augenblick nach, dann hellte sich ihr Blick auf, und sie lachte. »Das mit dem Totenkopf, meinen Sie? Das trägt Tommy schon seit Wochen mit Stolz. Die anderen sind regelrecht neidisch.«
»Woher hat er das?«
»Ich glaube, ein Werkstattkunde hat es ihm geschenkt.«
»Wissen Sie, wer dieser Kunde ist?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Nein. Ist das wichtig?«
»Können wir Tommy bitte danach fragen?«
Christiane Tenelsen stand auf. »Ich frage ihn.« Ohne eine Antwort abzuwarten, verließ sie die Küche.
»Was denkt die sich eigentlich?« Frank war irritiert.
»Du hast doch gehört, dass Tommy krank ist.«
»Tach«, klang es mit dunkler Stimme in Franks Rücken.
Ein junger Mann stand in Jeans und buntem T - S hirt in der Küche und lächelte die beiden Ermittler neugierig an. Christiane Tenelsen war in der Tür stehen geblieben.
»Wo sind die Räuber?« Tommy hob seine Arme und zeigte seine Muskeln. Dabei grinste er fröhlich. »Fühl mal.« Stolz drehte sich Tommy wie ein Bodybuilder vor Ecki.
Ecki nickte, blieb aber sitzen. »Toll.«
»Tommy?« Frank wusste nicht so recht, wie er mit dem jungen Mann ins Gespräch kommen sollte.
»Ich gehe zu Borussia. Die gewinnen wieder.«
Frank drehte den Becher in seiner Hand. »Du magst Fußball?«
Tommy nickte und sah sich nach seiner Betreuerin um.
»Tommy, du hast ein schönes Band um dein Handgelenk.«
»Jaha.«
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