Totentanz für Dr. Siri - Cotterill, C: Totentanz für Dr. Siri - Disco for the Departed
wenig an der Antenne herumzufummeln. Aber der Fall liegt offenbar ein wenig komplizierter. Um nicht zu sagen sehr viel komplizierter.«
Herr Woot – Spitzel, Kopfgeldjäger und Hühner zählender Khon-Khouay-Bevollmächtigter in Personalunion – saß im Büro des örtlichen Rebellenabwehrdienstes acht Kilometer vor Vang Vieng. Er grinste noch immer wie der Sambo auf einer Tube Darkie-Zahnpasta, wenn auch nicht mehr ganz so breit wie zuvor. Woots Beute saß sicher und wohlbehalten in ihrer Zelle, und Woot wartete auf sein Kopfgeld. Sobald er seinen Lohn erhalten hatte, wollte er zurück auf die Straße, um Aufständische aufzuspüren, Doppelagenten zu enttarnen und Sympathisanten des royalistischen Regimes unschädlich zu machen. Aber der Bezirksstellenleiter wollte ihn nicht ausbezahlen.
»Woot«, sagte er. »Weißt du was? Ich glaube nicht, dass Vientiane mir deine Geschichte abkauft.«
»Was soll das heißen?«, entgegnete Woot aufgebracht. »Ich habe ihn in flagranti dabei erwischt, wie er sich am Flugplatz Notizen machte.«
»Und wo sind die Beweise?«
»Mann, ich hab’s dir doch erklärt. Bevor ich ihm den Zettel wegnehmen konnte, hatte er ihn auch schon verschluckt. Hätte ich ihm vielleicht die Finger in den Rachen schieben und den Wisch wieder herausfischen sollen, oder was?«
Hauptmann Bounyasith war ein alter Saufkumpan von Woot und erhielt einen prozentualen Anteil an sämtlichen Kopfgeldern, die er seinen Außendienstmitarbeitern ausbezahlte. Er gab sich alle Mühe, die Geschichte ins Rollen zu bringen, aber sie kam einfach nicht vom Fleck. »Außerdem«, sagte er, »ist der Flugplatz seit dem Abzug von Air America stillgelegt.«
»Aufklärung, Genosse. Aufklärung. Die Aufständischen haben den Flugplatz offenbar als künftiges Operationsziel
ins Auge gefasst. Komm schon. Lass mich nicht hängen, Bruder.«
»Ich sage dir nur, was ich dazu aus Vientiane zu hören bekommen werde. Weiter nichts.« Der müde alte Hauptmann tunkte seufzend einen vietnamesischen Keks in seinen Tee. Der Keks zerbrach, und die Einzelteile versanken in der Tasse. Der Hauptmann fluchte halblaut. Alles schien ihm unter den Fingern zu zerbröckeln.
»Na schön«, lenkte Woot schließlich ein. »Immerhin sitzt der Aufständische hinter Gittern.«
Der Hauptmann fischte mit einem Kugelschreiber nach den Überresten des verlorenen Backwerks, fand jedoch nicht den geringsten Hinweis darauf, dass der Keks jemals existiert hatte. »Hast du denn nicht gemerkt, dass der Bursche nicht ganz dicht ist?«, sagte er. »Oder dachtest du, das fällt beim Verhör schon keinem auf?«
»Alles Tarnung.«
»Tarnung? Du meinst, er tut nur so, als ob er aussehen würde, wie er aussieht? Du meinst, er hat in Wahrheit gar keinen Sprachfehler und auch keine Hörprobleme? Du meinst, er hat weder schuppige Haut noch Plattfüße und stinkt auch nicht wie eine Feldlatrine?«
Eine Weile herrschte Schweigen.
»Er ist gut, das muss man ihm lassen.«
Hauptmann Bounyasith lehnte sich zurück und kippte seinen Tee durch das offene Fenster in den Hof. Sie hörten, wie die Hühner sich gackernd darüber hermachten. »Nein, Woot. Das haut nicht hin. Das glaubt uns doch kein Mensch.«
»Scheiße!« Der Spitzel, der in der ganzen Provinz als Spitzel bekannt und berüchtigt war, stand auf und verfluchte sein Glück. »Was hast du mit ihm vor?«
»Ich gebe ihm einen Happen zu essen und lasse ihn dann wieder laufen.«
»Er hatte nicht zufällig Geld bei sich?«
»Keinen blanken Kip.«
»Mist. Nicht mal mein Benzingeld kriege ich zurück. Was für ein Scheißtag.«
14
FRAU WUNDERLICH KEHRT HEIM
Obwohl Frau Wunderlichs Dorf nur fünf Kilometer von Vieng Xai entfernt lag, führte keine Straße dorthin. Siri, Dtui, Panoy und ihr Führer waren einem schmalen Pfad gefolgt, der sich gemächlich durch ein sanftes Tal schlängelte, vorbei an Felsnadeln, die wie obszön gereckte Finger in die Höhe ragten. Das Dorf lag dummerweise auch noch auf einer Hügelkuppe, als ob es sich in grauer Vorzeit vor einer Flut dorthin geflüchtet hätte. Die letzten fünfzig Meter schien es fast senkrecht bergan zu gehen. Dtui hatte Panoy den ganzen Weg getragen, und obwohl die Kleine kaum mehr wog als eine Feder, hatte Dtui das Gefühl, dass ihr das letzte Stück den Rest geben würde. Zum Glück erkannte das Mädchen, das Frau Wunderlichs Füße mit Blut bestrichen hatte, die dicke Krankenschwester wieder und kam ihr entgegen, um sie von ihrer Last zu befreien.
Die
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