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Totentanz für Dr. Siri - Cotterill, C: Totentanz für Dr. Siri - Disco for the Departed

Totentanz für Dr. Siri - Cotterill, C: Totentanz für Dr. Siri - Disco for the Departed

Titel: Totentanz für Dr. Siri - Cotterill, C: Totentanz für Dr. Siri - Disco for the Departed Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Cotterill
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Woche noch kein einziges Mal gelacht. »Vientiane«, sagte er.
    »Na, das könnte durchaus tödlich enden. Zumal du auf der falschen Straße unterwegs bist. Du hättest vor gut fünfzehn Kilometern links abbiegen müssen, auf die Bundesstraße 13. Du hast die Abzweigung verpasst.«
    »Ich muss i… immer geradeaus.«
    »Dann landest du schnurstracks in Thailand. Pass auf, Genosse. Ich fahre nach Vang Vieng. Das liegt auf halber Strecke nach Vientiane. Das erspart dir einen Riesenfußmarsch.«
    Vang Vieng. Davon hatte Geung schon einmal gehört. Er wusste zwar nicht, wo es lag, aber die Leute in seinem Dorf hatten oft davon gesprochen. Wenn es in der Nähe seines Dorfes lag, konnte es von Vientiane nicht allzu weit entfernt sein.
    »Na gut«, sagte er und blieb stehen. Der Fahrer öffnete die Beifahrertür. Auf dem Sitz lag eine Pistole; der Fahrer verstaute sie eilig im Handschuhfach.
    »Kein Grund zur Sorge«, beruhigte ihn der Mann. Geung kletterte mit schmerzverzerrtem Gesicht auf den Beifahrersitz. Als er saß, beugte der Fahrer sich zur Seite
und zog die Tür zu. Sein Fahrgast stank wie eine Latrine. Der Mann stellte sich als Woot vor. Geung stellte sich als Genosse Geung vor, und sie gaben sich die Hand. Woot hatte klebrige Finger, als hätte er soeben eine Portion Klebreis vertilgt und vergessen, sich die Hände zu waschen. Wobei Geung einfiel, dass sein Proviant alle war und er Hunger hatte.
    Der kleine blaue Peugeot fuhr eine Weile die alte Straße entlang und bog dann – genau wie Woot versprochen hatte – auf die Bundesstraße 13. Geung hatte das Schild zwar gesehen, es aber nicht weiter beachtet, weil die Sonne wollte, dass er geradeaus ging. Nach ein paar Kilometern kamen sie zu einem hohen Wegweiser mit den Namen all der Orte, an denen die Straße vorbeiführte. Der Fahrer ging vom Gas.
    »Siehst du, Bruder?« sagte er. »Da steht’s, in der Mitte. Vang Vieng. Kannst du das lesen?«
    Aber Geung freute sich viel mehr über den letzten Namen auf der Liste. Er hatte ihn auf Anhieb entziffert. Er sah Woot breit grinsend an und starrte dann wieder auf das Schild.
    »Vvvv… ien-tiane«, sagte er. »Vvvvientiane.«
    Es war das schönste Wort, das er jemals buchstabiert hatte. Er konnte gar nicht mehr aufhören zu grinsen. Der Wagen nahm Tempo auf, und Geung betrachtete die vorbeiziehenden Reisfelder, bleckte die Zähne und genoss die warme Luft, die durchs Fenster hereinwehte. Er war glücklich und zufrieden. Er überlegte, wie schön es wäre, wenn Genosse Woot bis nach Vientiane durchfahren würde. Was er nicht wusste: Genosse Woot fuhr noch nicht einmal bis Vang Vieng.

    Siri saß allein im Speisesaal des Gästehauses und starrte in seinen Kaffee, der so stark war, dass der Löffel darin stehen blieb. Es war seine zweite Tasse. Ihm fehlten die Baguettes, die Omelettes und der fangfrische Flussfisch aus Vientiane. In diesem Teil des Landes herrschte keine Dürre. Im Gegenteil. Der Nordosten blühte und gedieh. Civilai hatte einmal gesagt, wenn man in dieser Gegend einen Zitronendrops fallen lasse, blühe dort binnen einer Woche ein Zitronenbaum. Weshalb Siri es umso rätselhafter fand, dass die Speisekarte im Gästehaus Nr. 1 weiter nichts zu bieten hatte als feu -Reisnudeln mit Kohl.
    Der Kaffee sollte den Kohlgeschmack vertreiben und seinen bleiernen Verstand auf Touren bringen. Er hatte jede Menge kleiner Hinweise und Anhaltspunkte, zwischen denen sich jedoch beim besten Willen kein sinnvoller Zusammenhang herstellen ließ. In der vergangenen Nacht hatte ihn die Disco bis zwei Uhr morgens wachgehalten. Eine infernalische Bongotrommel wollte ihn in die Höhle zurücklocken – tapfer widerstand er der Versuchung. Auch seine Hoffnung auf einen Traum erfüllte sich nicht: Als der Schlaf ihn schließlich übermannte, gab es leider nichts zu sehen. Er konnte sich jedenfalls an nichts erinnern.
    Er erwachte kurz vor Tagesanbruch, weil er dringend zur Toilette musste. Ein lästiger Drang, denn das stille Örtchen lag erstens im Parterre und zweitens im Dunkeln. Aber er hatte ein Alter erreicht, in dem die Blase eines Mannes den Spitzenplatz auf der Rangliste der Organe einnahm. Sie diktierte die Spielregeln. Er schlüpfte in seine Sandalen und ging in den Gemeinschaftswaschraum hinunter. Die Luft war still und kalt. Stinkendes Wasser quatschte unter seinen Sohlen. Er legte die Taschenlampe auf die Trennwand.
Noch war sein Gedächtnis nicht so schwach, dass er zum Pinkeln eines Suchscheinwerfers bedurft

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