Totentöchter - Die dritte Generation
das Baby kümmern«, sagt er.
»Elle kann ab und zu für das Baby sorgen.« Sie fängt an, sich aufzuregen. Linden sagt, das sei etwas, was sie später unter vier Augen besprechen könnten, und sie sagt: »Nein. Jetzt.« Sie hat Tränen in den Augen. Das Schwangerschaftsbuch hat sie ganz vergessen und auf meinem Schoß abgelegt.
»Cecily …«, sage ich.
»Das ist ungerecht!« Sie wendet sich an mich. »Ich hab ihm alles gegeben, und ich hab es verdient, auf eine Party zu gehen, wenn ich es will. Was hast du gemacht? Was hast du aufgegeben?«
So viele Dinge, Cecily. Mehr, als du ahnst.
Zorn brennt in mir, meine Knochen schmerzen davon. Sie bedrängt mich, und ich gebe mir alle Mühe, den Mund zu halten. Das muss ich. Das muss ich, denn wenn ich jetzt die Wahrheit sage, werde ich für immer eine Gefangene bleiben. Aber ich werde ihr diese Messe oder irgendeine der folgenden Partys nicht überlassen, denn die gehören mir. Sie sind meine einzige Chance, meinem Bruder zu zeigen, dass ich noch lebe, und einen Weg hier herauszufinden. Ich verdiene es. Nicht sie.
Ihre Augen sind groß und voller Tränen, ihre Schluchzer feucht und von Schluckauf unterbrochen. Linden hebt sie hoch – ihr kleiner, angeschwollener Körper liegt
in seinen Armen – und trägt sie davon. Ihr Geheule kann ich den ganzen Flur hinunter hören.
Ich sitze im Bett und starre die Lilien an, die sie mir vor ein paar Tagen gebracht hat. Sie verwelken langsam. Blüten liegen um die Vase herum und schrumpeln, bis sie wie zerknüllte Taschentücher aussehen. Es ist, als würde man in die offenen Augen einer hübschen Leiche blicken.
Cecilys gute Vorsätze halten nie lange.
Gabriel und ich sehen uns im Umgang miteinander sehr vor. Ich könnte einen ganzen Morgen damit verbringen, an unseren einzigen Kuss zu denken, und wenn er dann mit meinem Mittagessen kommt, reden wir nur übers Wetter. Er erzählt mir, dass es kälter wird und dass er glaubt, es gebe bald Schnee.
»Hast du Cecily schon ihr Mittagessen gebracht?«, frage ich ihn, als er das Tablett auf meinem Schoß absetzt. Dass ich ans Bett gefesselt bin, erschwert es uns, einander zu sehen. Ich kann ihm nicht folgen, wenn er arbeitet, oder mir einen Augenblick mit ihm in einem der Gärten stehlen.
»Ja«, knurrt er. »Sie hat mit der Sauciere nach mir geworfen.«
Ich lache, obwohl ich das gar nicht will. »Hat sie nicht.«
»Weil sie eine zweimal gebackene Kartoffel wollte, keine einmal gebackene. Sie zielt erstaunlich gut für ein Mädchen in ihrem Zustand.« Seine Feststellung klingt ziemlich sarkastisch. Wir alle wissen, dass Cecily bei Weitem nicht so empfindlich ist, wie Linden oder Vaughn glauben. »Sie hat eine herrliche Laune.«
»Daran könnte ich schuld sein«, sage ich. »Gestern
Abend hat Linden mir erzählt, er denke darüber nach, mich zu einer Art Party mitzunehmen, auf der er seine Entwürfe zeigen will. Und sie hatte einen Anfall, weil er nicht stattdessen sie gefragt hat.«
Gabriel verzieht das Gesicht und setzt sich auf meine Bettkante. »Du bist an Einweihungspartys interessiert?«
»Gabriel«, sage ich leise, »das könnte mein einziger Weg hier raus sein.«
Er schaut mich eine Weile mit unergründlicher Miene an, dann sieht er auf seinen Schoß. »Ich schätze, du hattest schon schlechtere Fluchtpläne, was?«
»Unbestreitbar. Schließlich sitze ich hier in vier verschiedenen Gipsverbänden fest.«
»Ist es wirklich so schlimm hier?«, fragt er. Dann bekommt sein Blick etwas Panisches. »Zwingt der Hauswalter dich zu irgendwas – du weißt schon – im Bett?« Seine Wangen glühen.
»Nein!« Ich lege meine Hand auf seine. »Nichts dergleichen. Gabriel, ich kann hier nicht für den Rest meines Lebens bleiben.«
»Warum nicht? Was hat die freie Welt zu bieten, was du hier nicht hast?«, fragt er.
»Meinen Bruder. Mein Zuhause«, sage ich. Ich drücke seine Hand. Verständnislos starrt er sie an. »Was ist denn?«
»Ich halte es für gefährlich«, sagt er. »Ich finde, du solltest bleiben.«
Diesen Gesichtsausdruck kenne ich nicht an ihm. Nicht kalt oder wütend wie an jenem Tag am Pool. Nicht verbittert. Es ist etwas anderes. »Und wenn ich dich bitten würde, mitzukommen?«
»Was?«
»In dieser Nacht, im Hurrikan. Da stand ich auf dem Leuchtturm und sah, wie du auf mich zuliefst, und ich sagte: ›Lauf mit mir weg‹, aber du hast mich nicht gehört. Ich habe den Zaun gesehen. Ich hätte es schaffen können.«
»Kurz bevor ein riesiges
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