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Totentöchter - Die dritte Generation

Totentöchter - Die dritte Generation

Titel: Totentöchter - Die dritte Generation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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entlang, den es nicht mehr gibt. Aber ich glaube trotzdem, dass er noch irgendwo da draußen ist. Ich glaube, er ist über seine Ufer getreten und hat sich in die Freiheit des Meeres geflüchtet.
    »Ich hatte keine Ahnung«, sage ich. »Ich hätte nie gedacht, dass mein Name eine Bedeutung hat.«
    Hatte Rose das gemeint, als ich ihr meinen Namen genannt hatte und sie sagte, das wäre ein wunderschöner Ort?
    »Da steht, es war ein Frachtfluss. Mehr Informationen gibt es hier nicht«, sagt Gabriel enttäuscht.
    »Das ist okay.« Ich lache ein bisschen, lege ihm meinen Arm um den Hals, um ihn näher zu mir heranzuziehen, und küsse ihm voller Dankbarkeit die Wange. Er wird flammend rot und ich auch.

    Er ahnt nicht, was das für mich bedeutet, aber er weiß, dass es etwas Gutes sein muss, das sehe ich an seinen Augen. Er streicht mir das Haar aus der Stirn und sieht mich an. Rhine. Ein Fluss, der sich befreit hat – irgendwo da draußen.

Die ganze Nacht lang träume ich von Flüssen und von unter Wasser glänzenden Blumen mit spitzen Blättern.
    »Du hast im Schlaf gelächelt«, sagt Linden, als ich die Augen aufschlage. Mit einem Bleistift in der Hand und einer Zeichnung auf dem Schoß sitzt er auf dem Fensterbrett. Neben ihm stapeln sich die Blätter. Offenbar arbeitet er schon eine Weile. Ich denke daran, wie Vaughn sagte, dass ich Linden dazu gebracht hätte, wieder an seine Zeichnungen zu gehen. Mir ist immer noch nicht klar, was Vaughn damit beabsichtigt hat, als er mir das erzählte, aber es stimmt. In letzter Zeit hat Linden viel gearbeitet und ich könnte ihn dazu inspiriert haben.
    »Ich habe geträumt, wir lebten in diesem Haus, das du gezeichnet hast. Mit dem Kuchen am Fenster und der Schaukel im Garten«, sage ich. Abgesehen von diesem köstlichen Glücksgefühl, das in meiner Stimme liegt, ist alles gelogen. Der Blick aus dem Fenster zeigt mir einen herrlichen Tag.
    Linden lächelt mich an, erleichtert, aber unsicher. Er ist es nicht gewohnt, mich so zu erleben, und er denkt vielleicht, es wäre den schmerzstillenden Mitteln zu verdanken. Ich versuche mich zu bewegen und stelle fest,
dass es nicht mehr so schrecklich schmerzhaft ist wie zuvor. Ich bin in der Lage, aufrecht zu sitzen und mich in die Kissen zu lehnen.
    »Ich habe gehört, du bist mir hinterhergelaufen – in den Sturm«, sage ich.
    Er legt seine Arbeit beiseite und setzt sich zu mir aufs Bett. Der Schnitt an seiner Lippe verheilt. Er sieht aus wie ein tadelloser Junge, der auf dem Schulhof in eine Schlägerei geraten ist. Ich versuche mir vorzustellen, wie sein zerbrechlicher, dünner Körper dem Hurrikan trotzt, aber ich sehe ihn nicht weit kommen. Ich kann mir nur vorstellen, wie er weggeweht, gerettet oder getötet wird.
    »Ich dachte, ich hätte dich verloren«, sagt er. Ich kann nicht sagen, ob das ein Lächeln ist oder ein Stirnrunzeln.
    »Als der Wind stärker wurde, habe ich mich verirrt«, sage ich. »Ich konnte nicht zum Haus zurückfinden. Ich habe alles versucht.«
    »Das weiß ich.« Er tätschelt meine Hand. In seinen Augen liegt so viel Kummer, dass ich mich selber für meine Lügen hasse. Linden scheint diese Wirkung auf mich zu haben. Er sagt: »Ich will dir etwas zeigen.«
    Er erzählt mir, dass ich eine Woche lang die meiste Zeit bewusstlos war. Das Ding, das mich am Hinterkopf getroffen hat, war ein Flügel von einer der Windmühlen. Die diversen anderen Verletzungen rühren von Trümmern her, die von den Tennisplätzen bis zu den Ställen verstreut liegen. Doch er will nicht, dass ich mir deswegen Sorgen mache, denn sein Vater hat Leute zum Aufräumen eingestellt und die machten ihre Sache ganz wunderbar. Er sagt, den einzigen wirklichen Schaden habe ich genommen. Er erzählt mir, zwischen langen
Phasen der Ruhe habe ich etwas von Ratten gemurmelt und sinkenden Schiffen und Explosionen, immer wieder Explosionen, und dass man die Blutung stillen müsse.
    Zum Glück erinnere ich mich an keinen dieser Albträume.
    Aber er hat alles gehört. Er ist bei mir geblieben, und da er nicht zu mir durchdringen konnte, hat er versucht, zu zeichnen, was ich gesehen habe. Er zögert einen Moment, bevor er mir das erste Blatt zeigt, so als wäre es ein Foto vom Schauplatz eines Verbrechens oder etwas in der Art.
    Dann zeigt er es mir. Er hat Häuser gezeichnet, die dunkle Schatten werfen und sich alle zu einer Seite neigen oder aus denen Äste eines Baumes brechen, der das gesamte Innere des Gebäudes einnimmt. Aus Fenstern tropft

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