Totentöchter - Die dritte Generation
furchterregender, als ich es mir jemals hätte vorstellen können. Das Leben ist ganz anders als in den Tagen, in denen es noch Lilien im Garten meiner Mutter gab und alle meine Träume in einen Pappbecher passten.
Als Cecily ihr Lied zu Ende gespielt hat, löst das Hologramm sich auf. Sie streckt die Arme über den Kopf und lässt die Finger knacken.
»Das war wunderschön, Liebes«, sagt Linden. Er sitzt mit mir im Arm auf dem Sofa; Jenna kauert auf der Lehne und mit seiner anderen Hand zeichnet er gedankenverloren Muster auf ihren Schenkel.
»Wir haben eine kleine Konzertpianistin unter uns«, pflichtet Jenna ihm bei. Sie wickelt eine von Lindens Locken um ihren Finger.
»Eine Konzert pianistin vielleicht doch nicht«, sagt Cecily, die den Staubschutz über die Tasten legt.
»Nein«, sage ich. »Ein Konzertsaal ist zu steril. Hast du mir nicht erzählt, du hättest dieses Lied draußen im Rosengarten geschrieben?«
»Im Heckenlabyrinth, genauer gesagt«, erklärt Jenna.
»Ihr irrt euch beide«, sagt Cecily und klettert Linden auf den Schoß. »Ich habe es im Orangenhain geschrieben.«
»Du hast das geschrieben?«, sagt Linden erstaunt. Jenna spielt immer noch mit seinem Haar und er neigt den Kopf gedankenverloren in ihre Richtung.
»Ja. In meinem Kopf. Ich merke mir die Melodien für
später. Obwohl …« Sie verstummt, sieht zur Seite, seufzt traurig.
»Was ist denn, meine Liebe?«
»Nun ja. Es ist sozusagen ein älteres Stück«, meint Cecily. »Ich bin schon so lange nicht mehr draußen gewesen.«
»Wir alle nicht, Cecily«, sage ich. »Nicht nur du. Es war so gefährlich wegen der Hurrikans. Du hast ja gesehen, wie schwer verletzt ich war. Ich komme jetzt erst langsam wieder auf die Beine.«
»Aber wir haben seit Wochen keinen Hurrikan mehr gehabt«, sagt Jenna. »Das Wetter ist ganz schön gewesen. Würdest du das nicht auch sagen?« Sie sieht Linden an, dessen Wangen rot angelaufen sind. Mit der Anbetung von drei Ehefrauen auf einmal wird er nicht fertig.
»Ka-kann schon sein.«
»Aber Hausprinzipal Vaughn ist nur um unsere Sicherheit besorgt«, sage ich. »Deshalb begleitet er uns nach draußen.«
»Begleitet er euch überall hin?«, fragt Linden.
»Es hat schon etwas Deprimierendes«, gesteht Jenna. »Wir beten unseren Schwiegervater natürlich an. Aber manchmal brauchen Mädchen Zeit für sich.«
»Um ihre Kreativität ausleben zu können«, sagt Cecily.
»Zum Nachdenken«, füge ich hinzu.
»Und für Mädchengespräche«, sagt Jenna. »Rhine und ich konnten auch nicht Tennis spielen oder auf dem Trampolin springen. Die virtuellen Spiele sind ja okay, aber eigentlich kriegen wir überhaupt keine Bewegung.«
»Ich wollte es nicht sagen«, wirft Cecily ein, »aber sie haben beide zugenommen.«
Jenna kneift die Augen zusammen. »Fass dir an die eigene Nase.«
Lindens Wangen sind ja bereits ein bisschen rot, aber als Cecily sein Gesicht in ihre Hände nimmt und ihn fragt, ob er finde, die Schwangerschaft habe sie unattraktiv gemacht, ist das zu viel für ihn. »Du bist wunderschön«, sagt er. »Ihr alle. Aber wenn ihr glaubt, eure Stimmung hebt sich, wenn ihr eine Weile draußen sein könnt, rede ich mit meinem Vater. Ich hatte ja keine Ahnung, dass ihr euch so … äh … eingesperrt fühlt.«
»Wirklich?«, ruft Cecily.
»Meinst du das ernst?«, sage ich und schmiege mich an seine Seite.
»Du bist so süß«, sagt Jenna und gibt ihm einen Kuss auf die Stirn.
Er wehrt ab, schiebt sanft Cecily von seinem Schoß und windet sich zwischen mir und Jenna heraus. »Sobald er heute Abend aus dem Krankenhaus kommt, rede ich mit ihm.«
Meine Schwesterfrauen und ich lauschen, bis wir hören, wie sich die Fahrstuhltüren hinter ihm schließen. Einen Augenblick herrscht Stille, dann brechen wir brüllend vor Lachen auf dem Sofa zusammen.
»Das war Wahnsinn«, sagt Jenna.
»Es lief noch besser als geplant«, sage ich.
»Hab ich meine Sache gut gemacht?«, fragt Cecily.
»Vergiss die Musik«, sagt Jenna und zerzaust Cecily das Haar. »Du solltest Schauspielerin werden.«
Wir umarmen einander zur Feier unseres kleinen Sieges. Und ich kann nicht anders, ich genieße dieses Gemeinschaftsgefühl.
Für mich ist es das einzig Gute am Verheiratetsein.
An dem Abend, an dem wir die Messe besuchen wollten, setzen bei Cecily die Wehen ein.
»Das sind nur Vorwehen«, versichert Hausprinzipal Vaughn ihr. »Noch nicht die echten.«
Aber sie hat echte Schmerzen. Sie kniet vor dem Bett und
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