Toter geht's nicht
erscheint der passende Körper dazu. Laurin springt auf. Franziska umarmt ihn und weint. Sie blickt zu Melina. Melina gibt sich cooler, als sie sich vermutlich fühlt. Sie umarmt ihre Mutter eher beiläufig. Laurin quasselt. Irgendetwas. Franziska blickt zu mir. Ich lächle, sie lächelt. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Nur jetzt nichts Falsches, denke ich. Ich bin unsicher. Franziska greift nach meiner Hand. Ich umfasse sie. Dann umarmen wir uns wie gute Freunde. Wir küssen uns nicht. Wir lassen uns recht schnell wieder los. Wir beobachten und belauern uns. Dann zieht Laurin sie auf seine Seite. Ich beobachte Franziska. Fünf Wochen sind es, die sie weg war. Mir kommt es vor wie Jahre. Ich sehe ihr zu, wie sie mit Laurin spricht, und finde, dass sie, so schön sie auch ist, so gar nicht gut aussieht.
«Kommt doch erst mal rein», sagt sie dann irgendwann. Das tun wir.
«Schön, dass ihr da seid.» Noch immer weiß ich nicht, was ich sagen soll. Nicht einmal schlechte Witze fallen mir ein. Nun nähern sich auch erst einmal Melina und Franziska an. Mir ist das sehr recht. So trage ich unsere Rucksäcke hinein, stelle die Schuhe der Kinder in Reih und Glied, was ich zu Hause niemals tu, ziehe meine Jacke aus und blicke aus dem Fenster. Der Nebel hat sich inzwischen fast vollständig aufgelöst. Das Panorama ist unglaublich. Das ist dann auch vermutlich das Erste, was ich sage.
«Boah, was ein geiler Ausblick!»
Franziska lächelt. «Wenn man noch ein Stück weiter den Berg hochgeht, kommt man zu einem kleinen Gipfel. Dort hat man einen phantastischen Rundumblick», sagt sie und klingt ziemlich künstlich.
«Echt?», smalltalke ich noch künstlicher zurück. «Ist ja der Hammer.»
«Ja, wirklich schön …»
Franziska fällt auch nichts ein. Es ist alles so unwirklich fremd. Irgendwie will ich wieder weg. Ich will nicht, dass wir uns so fremd sind. Ich will nicht, dass es so ist, wie es ist.
«Ich gehe da mal hoch. Ich will das mal sehen. Will noch jemand mit?», frage ich und hoffe, dass keiner will. Melina und Laurin verneinen deutlich. Berlusconi bejaht auf seine Weise meine Frage, und Franziska möchte bei den Kindern bleiben. So ziehe ich die Jacke wieder an, lächle noch einmal so unsicher, wie man unsicherer nicht lächeln kann, hänge Berlusconi an die Leine und verlasse die Hütte.
Ich atme tief durch und weiß überhaupt nicht mehr, wie ich mich fühle.
«Ist ja auch egal», sage ich zu Berlusconi und marschiere los. Nach zwanzig Minuten habe ich bereits den kleinen Brönigipfel erklommen, freue mich über den kurzen Moment, die Berge, den Himmel und das Tal sehen zu können, und trage mich sogar in das alberne Gipfelbuch ein, das am Gipfelkreuz mit einer Eisenkette befestigt wurde. Die nächste Nebelwolke blickt bereits verstohlen um die Ecke und wartet auf ihren großen Auftritt. Ich lasse Berlusconi an der Leine, bleibe zehn Minuten sitzen und versuche, während ein kalter Wind um die Ohren zieht, an nichts zu denken. Dann klingelt mein Handy. Die Mobilbox.
«Sie haben … eine … neue Nachricht. Zum Abhören der …»
Ich drücke die 1. Und höre Onkel Ludwig Körber:
«Hallo, Henning, hier spricht Ludwig. Ich erreiche dich die ganze Zeit nicht. Wo bist du denn? Egal, ruf doch bitte dringend zurück. Am besten auf dem Handy. Der Herbert Ruland, also der Herr Bärt, der ist tot. Herzinfarkt. Heute Nacht in der Untersuchungshaft, in der Zelle. Ein Wärter hat ihn in der Frühe tot im Bett aufgefunden. Tja, also keine Verhöre mehr und auch keine Verhandlung. Ich würde den Fall nun endgültig abschließen. Auch wenn er Mord 1 nicht gestanden hat. Die Indizien sprechen aber doch gegen ihn, nicht wahr? Also ruf bitte schnellstmöglich zurück.»
Danach öffne ich noch zwei Kurznachrichten. Eine von Miriam Meisler, eine von Markus Meirich. Miriam schreibt: «Hi Henny, hast du das schon gehört mit Herr Bärt? Krass, oder? Das war’s dann wohl mit dem Fall. Meld dich mal. LG Miri.»
Markus schreibt: «Hallo, Henning. Herr Bärt ist tot. Herzinfarkt in seiner Zelle. Melde dich mal. Körber will den Fall abschließen. Ich finde, das ist zu früh. Wir wissen nicht, ob Bärt wirklich beide Morde begangen hat. Aber Körber will Ruhe und einen Ermittlungserfolg. Scheißladen hier. Gruß Markus.»
Mir ist nicht nach Telefonieren. Stattdessen will ich zurück, absteigen, zurück zur Familie. Es beginnt bereits zu dämmern, und der Nebel gibt auch wieder Vollgas. Mir fällt auf, dass ich
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