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Totes Meer

Titel: Totes Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Keene
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vollzählig lebend rauszukommen. Dreiundzwanzig Männer saßen in diesem Rettungsboot. Stellt euch mal vor, wie eng das gewesen sein muss, wie Sardinen in einer Dose. Und ihr dachtet, unser Rettungsboot sei schon voll. Natürlich war ihres auch wesentlich größer als das hier. Sie sind dreizehn Stunden auf dem Wasser getrieben, bis die Küstenwache sie aufgelesen hat. Damit endet ihre Geschichte. Aber es ist nicht das Ende der Ethel C. Sie ist immer noch da. Genau jetzt ist sie da unten – und liegt aufrecht auf dem Grund des Meeres.«
    Malik warf einen Blick auf das Wasser. »Wie tief ist es hier überhaupt?«
    »An dieser Stelle?« Der Chief zuckte mit den Schultern. »Wenn ich mich richtig erinnere, so um die sechzig Meter. Das Wrack ist noch intakt – die gesamten hundert Meter in der Länge -, wenn du also runtertauchst und auf Plünderzug gehst, findest du
ihr Steuerhaus in ungefähr dreiundvierzig Meter Tiefe, den Rest darunter.«
    »Intakt?« Fasziniert von dem Gespräch rutschte Tasha näher ran. »Sie meinen, es ist noch wie neu?«
    »Na ja, nicht ganz. Die Ethel C. liegt schon eine ganze Weile da unten, sie ist also in einem ziemlich schlechten Zustand. Der Rumpf ist wahrscheinlich durchgerostet. Aber wie ich schon sagte, sie liegt immer noch aufrecht, und Taucher sagen, sie böte einen ziemlich beeindruckenden Anblick. Im Laufe der Jahre hat man ihre nautische Ausrüstung und die meisten Luken raufgeholt, außerdem Besteck, Erinnerungsstücke, Bilderrahmen, Taschenuhren, Schmuck – solche Sachen. Manche zahlen viel Geld für solche Schätze.«
    »Mann«, hauchte Malik. »Ich würde gern mal zu einem Schiffswrack tauchen. Stellt euch nur das ganze Zeug da unten vor.«
    Carol nickte zustimmend. »Irgendwie ist es romantisch.«
    Ich blendete das Gespräch aus und dachte an das Wrack der Ethel C., das da unten auf dem Meeresgrund lag – tot, und doch irgendwie lebendig durch die Entdeckungstouren der Taucher, lebendig in der Erinnerung von Menschen wie dem Chief. Auf eine traurige Art ergreifend. Immerhin war der Tod inzwischen nicht mehr das Ende. In seinem Grab zu bleiben war hoffnungslos veraltet. Und wenn es tatsächlich so etwas wie eine Seele gab, welche Beweise hatten wir dafür, dass sie weiterlebte? Was, wenn unsere Seelen in
den verwesenden Körpern gefangen waren – und voller Entsetzen und Abscheu zusehen konnten, wie sich unsere eigenen Körper gegen diejenigen wandten, die wir liebten? Was für ein Leben danach war das? Das war nicht der Himmel. Es war die Hölle. Ewiges Leben ist gleich Zombie. Egal, welcher Religion wir angehörten, egal, woran wir glaubten, die kalte, simple Wahrheit war doch, dass keiner von uns auch nur den Hauch einer Ahnung hatte, was nach diesem Leben kam. Die einzige Art ewigen Lebens, der wir uns sicher sein konnten, war die Art, die dieses Schiffswrack besaß – in den Erinnerungen anderer weiterzuleben. Wie ein Mythos. Ein Archetyp. Der Professor hatte Recht gehabt. Wir waren Monomythen. Wir alle. Jeder Überlebende. Falls die Menschheit es schaffen sollte, zu überleben, falls in fünfhundert Jahren die Nachkommen von Tasha und Malik in einem Klassenzimmer sitzen und Geschichtsunterricht bekommen würden, würden wir die Stelle von Herkules und Superman einnehmen. Kommt und hört die Geschichte von Mitch, dem Krieger, Runkle, dem Schwindler, und Lamar, dem Helden.
    Blödsinn.
    Eine fette Möwe ließ sich zur Wasseroberfläche fallen und schoss dann wieder in die Höhe. Etwas Rotes hing in ihrem Schnabel. Mir fiel auf, dass andere Vögel das Gleiche taten. Sie fraßen etwas, das auf den Wellen schwamm. Wir waren zu weit weg, so dass ich nicht erkennen konnte, was es war. Wahrscheinlich war es Seegras.

    Gähnend checkte der Chief das GPS und nickte befriedigt.
    »Wir nähern uns langsam«, sagte er und blies erneut seine geschwollene Nase frei. »Bald müssten wir die Plattform sehen können. Keinen Moment zu früh, wenn ihr mich fragt. Die Sonne wird hier draußen auf dem Wasser brutal werden. Dann müssten wir auch noch mit Sonnenbrand und Kopfschmerzen zurechtkommen.«
    Carol lächelte. »Wenn ich zwischen einem Sonnenbrand und einer Armee von Zombies wählen müsste, würde ich den Sonnenbrand nehmen.«
    Er erwiderte ihr Lächeln, und Carol wurde rot. Dann schaute sie schnell weg. Die Ohren des Chiefs liefen rot an. Ich unterdrückte ein Grinsen. Vielleicht gab es ja doch noch Hoffnung für die menschliche Rasse.
    »Sei dir da nicht so sicher«, meinte der

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