Totes Zebra zugelaufen
zurück auf die Fahrbahn. Noch immer ließ sich kein anderes Fahrzeug sehen, doch nach wie vor hing sein Leben von seiner Wachsamkeit ab. Erst in der Deckung des Gebüschs schaltete der Fahrer die Scheinwerfer ein, und auch dann nur das Abblendlicht.
Ebenso unauffällig und gemächlich, wie er gekommen war, rollte der Wagen davon. Bald verschwanden die roten Schlußlichter hinter einer Kurve, und der Friede der Nacht war wieder ungestört.
1
Forrest Nunn erwachte, ehe die Zeiger seines elektrischen Weckers auf dreiviertel acht vorgerückt waren. Er drückte den Knopf herunter, der das Läutwerk abstellte, und gönnte sich noch eine Minute wohligen Behagens im warmen Bett. Dann, ein wenig beschämt darüber, daß seine Frau vor ihm auf den Beinen war, schob er die Bettdecke weg und stand auf. Er rieb sich das Gesicht mit den Händen und ging ins Badezimmer.
Er war sechsundvierzig, wirkte aber gut zehn Jahre jünger. Sein Körper war schlank, sehnig und tief gebräunt, auch unterhalb der Gürtellinie. Der ganze Körper war gleichmäßig getönt. Nur an der Unterseite seiner Arme war die Haut sichtlich heller. Er putzte sich die Zähne, rasierte sich und stellte sich dann unter die eiskalte Dusche. Als er sich abfrottierte, stieg ihm der Duft brutzelnden Schinkenspecks in die Nase; er vernahm die Geräusche, die ihm ankündigten, daß in der Küche des modernisierten Bauernhauses das Frühstück gerichtet wurde.
Rasch fuhr er mit dem Kamm durch das feuchte Haar, schlüpfte in ein Paar abgetragene Ledersandalen und eilte völlig unbekleidet durch den Flur zur Küche.
Auf halbem Weg lief ihm seine ältere Tochter in die Arme, ein strahlendes Geschöpf von achtzehn Jahren. Jeder fand sie hübsch, mancher nannte sie schön. Das Haar, das lose fließend ihr Gesicht umrahmte, betonte den weiten Abstand zwischen den blauen Augen. Ihr Körper war nahezu vollkommen. Noch besaß er mädchenhafte Konturen, doch schon ahnte man die Tiefe und das Ebenmaß der Reife. Auch sie hatte nichts an, und selbst im spärlichen Licht des Korridors schien ihre Haut in goldenen Bronzetönen zu leuchten.
»Morgen, Papa«, sagte sie und lächelte ihren Vater an.
»Guten Morgen, Linda. « Er legte ihr kurz die Hand auf die bloße Schulter. Dann betraten sie gemeinsam die Küche.
Die Küche war ein sehr großer Raum im hinteren Teil des Hauses, breite Fenster nahmen drei der vier Wände ein. Die Morgensonne flutete herein, malte lichte Muster auf das Linoleum und erhellte jeden Winkel des sauberen Raums, den Forrest in langen Stunden eigenhändig nach den Wünschen seiner Frau umgebaut hatte. Durch die vielen Fenster hatte man ungehindert Ausblick auf gepflegte Rasenflächen, einen Kinderspielplatz zur Linken und einen Parkplatz zur Rechten. Dazwischen, durch eine Baumgruppe und den Picknickplatz abgeschirmt, lagen das große Schwimmbecken, die Volleyball-Plätze und die Liegewiesen. Unmittelbar dahinter begannen die Fußpfade, die sich zum Vorgebirge der San-Bernardino-Mountains hinaufwanden.
Emily Nunn sah noch jünger aus als ihr Mann, obwohl sie in Wirklichkeit zwei Jahre älter war als er. Sie hätte sich gut und gern für Anfang Dreißig ausgeben können. Ihr straffer, schlanker Körper trug keine Spuren des nahenden Alters. Ihre Taille, um die sich das Band der Schürze schloß, war ebenso faltenlos und schmal wie die ihrer Tochter. Das aschblonde Haar verriet ihre schwedische Abstammung.
»Wo ist George?« fragte Forrest, als er eintrat. Aber ehe seine Frau antworten konnte, zog er sie zu sich heran und küßte sie zärtlich auf die Wange.
»Er macht das große Becken sauber«, erwiderte Emily. »Er muß zeitig damit fertig werden, weil er nachher in die Stadt fahren will. Wegen der Baseball-Liga, glaube ich.«
»Der Junge von Hank und Mary spielt bei den Tigers«, fügte Linda hinzu. »Damit sind schon vier Nudisten in der Liga — zwei von uns, einer von Gien Eden und einer von Olive Dell.«
Ihre letzten Worte übertönte das Patschen bloßer Füße auf dem Korridor, und gleich darauf schoß die neunjährige Carole in die Küche. »Ich fahre mit George in die Stadt«, verkündete sie, rannte zum Frühstückstisch und ließ sich mit Schwung auf ihren Stuhl fallen.
»Hast du die Zähne geputzt?« fragte Forrest seine jüngste Tochter.
Sie blickte zu ihm auf und zog einen enttäuschten Flunsch. »Ich geh' ja schon«, sagte sie widerstrebend und stand auf. Als sie sich umdrehte, gab ihr der Vater zur Ermahnung einen leichten
Weitere Kostenlose Bücher