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Totgeburt

Totgeburt

Titel: Totgeburt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam E. Maas
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freilich arbeiteten wir auch mit Viren“, lautete die Antwort des Assistenten. „Unser Projekt beschränkt sich allerdings nicht auf die Arbeit an Viren. Es ist vielmehr ein interdisziplinäres Projekt, wo die unterschiedlichsten Forschungsgebiete aufeinander treffen. Ich sage Ihnen, ohne die leiseste Übertreibung, eine so komplizierte Unternehmung kann nur ein Genie koordinieren … Menschen wie der Doktor oder der alte Herr Mengele.“
    „Wenn ich mich hier so umsehe, muss ich doch gestehen … also, Ihr Arbeitskreis ist schon recht klein und wie Sie gerade sagten, so eine komplizierte Unternehmung … wie schaffen Sie das alles?“
    „Jaja, da haben Sie recht. Ich muss gestehen, wir machen nicht alles alleine, wir profitieren viel mehr von den Ergebnissen anderer. Nehmen Sie zum Beispiel die Lebensmittelindustrie, da bedienen wir uns gerne, was die Genetik angeht, da sind die ganz vorne mit dabei. Unsere heimische Chemieindustrie ist ja sowieso Weltklasse und deren Ergebnisse werden uns sozusagen frei Haus geliefert. Kurz gesagt, wir können Aufträge an dritte vergeben.“
    „OK. So läuft das also ab. Manche Firmen sind dann direkt in ihre Arbeit involviert und trotzdem wissen die Leute nicht, was Sie da treiben?“, fragte Marie.
    Sie hätte sich die Fragen schenken können, war es doch ihr Job gewesen, all das Knowhow aufzutreiben. Allerdings war es schon interessant zu hören, dass der Alte so rigoros outsourcte.
    „Ich versichere Ihnen, niemand weiß, was wir hier treiben“, sagte Steinmetz.
    „Aha, wie ist es denn dazu gekommen? Ich meine, wie hat alles begonnen?“
    „Das Projekt hat schon während des Zweiten Weltkrieges begonnen. Vater des Projekts ist eben genannter Josef Mengele gewesen.“
    „Mengele? Der aus dem Fernsehen?“, fragte Marie.
    Er kicherte.
    „Ja, es handelt sich um jenen berühmten KZ Arzt aus dem Fernsehen, SS-Hauptsturmführer Josef Rudolf Mengele“, bestätigte Steinmetz.
    Er sprach dessen Namen ganz theatralisch aus, anscheinend erwartete er eine besondere Reaktion von ihr, deswegen gab Marie ein überraschtes „Ooohh“ von sich.
    „Dessen glorreiche Biografie wird heute nur noch durch den Dreck gezogen“, fügte er ernst blickend hinzu.
    „Stimmt. Da herrscht keine Objektivität … ehm, der Sieger schreibt die Geschichte.“
    „Der Sieger? Ha, wir werden's sehen!“
    „Es ist noch nicht aller Tage Abend“, pflichtete sie ihm bei.
    „Herr Mengele hat das Projekt nur wegen des verlorenen Krieges nicht zu Ende führen können … Talent war nicht das Problem, oh nein“, garantierte Steinmetz.
    „Es ist wirklich ärgerlich!“, bestärkte sie ihn.
    „Man muss frohen Mutes in die Zukunft blicken.“
    „Wie wahr, wie wahr“, stimmte sie ihm bei.
    „Das hat Mengele, der alte Fuchs, auch gewusst und nach dem Krieg einen Neustart gewagt.“
    „Nein!“, sagte sie überrascht.
    „Oh jaa! Unten in Südamerika, wohin er sich in Sicherheit gebracht hatte … leider vergeblich, er fand keine Ruhe.“
    „Die Alliierten! Pahh!“
    „Siegerjustiz … kennen Sie zufällig Candido Godoi?“, wollte er auf einmal wissen.
    „Nein, sollte ich?“, fragte sie.
    „Nicht schlimm, die wenigsten tun das“, beteuerte er. „Mengele hat nämlich wie gesagt keine Ruhe gefunden, weil er ständig auf der Flucht war … vor den jüdischen Häschern und der Siegerjustiz der Alliierten.
    „Ach, die Alliierten!“, rief sie zornig aus.
    „Ja! Und nur wegen denen ist aus seinem Neustart nichts geworden.“
    Es folgten Hasstiraden auf das jüdische Volk und Marie hörte weg. Was interessierte sie dessen Ideologie? Der dumme Mann hatte keine Ahnung, was hier gespielt wurde. Sie nahm sich vor, ihn ein wenig poltern zu lassen, weiterhin brav Ja und Amen zu sagen, um hinterher noch etwas Brauchbares aus ihm herauszukitzeln.
    „Wie passen Sie denn in die Geschichte?“, fragte sie irgendwann.
    „Geduld, Geduld, meine Gute. Der hochgeschätzte Doktor, unser Doktor, hat schließlich die Zwillingsexperimente in den achtziger Jahren fortgeführt und mich in den Zweitausendern rekrutiert. Ich habe die Stelle sogleich dankend angenommen, ging es ja um nichts weniger als meine patriotische Pflicht.“
    „Ach, es gibt einfach zu wenige Patrioten heutzutage!“
    „Genau meine Worte! Der Dienst am Vaterland zählt mehr als Geld … denn Reichtum werde ich an der Seite des Doktors niemals erlangen … es geht um mehr als materielle Interessen, Kontinuität ist das Gebot der Stunde. Mein

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