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Totgeburt

Totgeburt

Titel: Totgeburt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam E. Maas
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persönlicher Reichtum besteht darin, hier mitwirken zu dürfen. Unsere Generation muss die Chance ergreifen, das Handwerk von ihren Vorgängern zu erlernen. Solange es noch möglich ist. So wie unser Doktor in die Fußstapfen Mengeles getreten ist, werde ich wiederum dem Doktor nachfolgen.“
    Der Mann glaubte tatsächlich, dass der Alte es nicht mehr lange machen würde, dabei würde dieser ihn und dessen Kinder spielend überdauern. Das hieß, falls der Alte nicht vorzeitig in den Ruhestand versetzt wurde.
    „Wie viele Experimente haben Sie denn überhaupt durchgeführt?“, wollte Marie wissen.
    „Ich selbst habe, Sebastian ausgeschlossen, hundertneunundzwanzig Versuchspaare begleitet … von der Wiege bis zur Bahre“, fügte er grinsend hinzu. „Wie viele es insgesamt waren, weiß ich nicht zu sagen. Der Doktor hat einige ganz auf sich allein gestellt durchgeführt und zwar unter spektakulär primitiven Bedingungen. Das müssten nochmals zweihundertunddrei sein. In den Anfangszeiten sind die Probanden noch umgekippt wie die Fliegen. Keiner von denen hatte es bis in die zweite Runde geschafft.“
    Beide lachten.
    „OK, wie ging es weiter?“, fragte sie.
    „Ergänzend muss ich vielleicht noch sagen, ich beschränke mich bei den Zahlenangaben allein auf die menschlichen Laborraten“, klärte er sie auf.
    „Ha, Laborratten.“
    „Gut, nicht wahr? Daneben hat es noch viele Versuche an Affen, genauer gesagt, an Schimpansen gegeben. An Schimpansen zu gelangen ist heute jedoch um einiges schwieriger als an menschliches Material. Importbeschränkungen, Kosten, Nachweise und so weiter und so fort.“
    „Behörden“, ergänzte sie ihn.
    „Genau, Sie haben es erfasst … worauf wollte ich … deswegen hat man die Menschenaffenversuche eingestellt. Und andere Tiere eignen sich nur bedingt, da biologisch zu weit vom Menschen entfernt. Gewiss kann man die Auswirkung einzelner Stoffe testen, aber letzten Endes führt kein Weg am Original vorbei.“
    „Ich verstehe. Wie konnten Sie denn überhaupt an Mengeles Arbeit anknüpfen?“
    „Seine Unterlagen“, antwortete Steinmetz.
    „Unterlagen? Wie kamen Sie denn an die Unterlagen? Ich dachte, die Amerikaner hätten alles beschlagnahmt. Wissen die eigentlich, um was es bei den Versuchen Mengeles ging?“
    „Jaja, die Amerikaner! Die wissen nur, was man sie wissen lässt.“
    „Ist das so?“
    „Ja, freilich! Ehm, wo war ich? Naja, viele der alten Aufzeichnungen sind verloren gegangen.“
    „Unwiederbringlich?“, fragte sie.
    „Unwiederbringlich.“
    „Was hat Mengele in Südamerika getrieben?“
    „Mengele hatte versucht die Grundlage für seine spätere Arbeiten zu legen und dazu einen Vorrat an Zwillingen ausgebrütet. Obwohl er doch an den Theorien weitergearbeitet hat, ein Fakt den so ziemlich niemand kennt. Also Ruhe bewahren, die Amis wissen nichts. Das heißt, solange Sie den CIA oder NSA nicht unterrichten.“
    „Pssscht, machte sie und schloss ihren Mund mit einem imaginären Schlüssel ab, den sie dann wegwarf.
    „Haha … also, zur eigentlichen Arbeit war er bedauerlicherweise nie gekommen … in Ordnung, nun gelangen wir zu wahrlich bemerkenswerten Umständen beziehungsweise Vorfällen. Halten Sie sich fest … fast alle Aufzeichnungen aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges stehen uns zur Verfügung. Manche Unterlagen liegen uns nur in Form von Kopien vor. Selbiges gilt für den Großteil der Unterlagen aus der Zeit seines Exils. Ach, diese wurden übrigens dieses Jahr versteigert. Aber da wurden eben nicht alle Schriftstücke versteigert. Die wichtigsten Stücke, jene, die seine Arbeit betreffen, gehören uns allein!“
    „Nein!“, rief sie und riss die Augen weit auseinander.
    „Ich weiß, ich weiß … wie ein kleines Kind, dessen größter Traum in Erfüllung gegangen ist, habe ich mich alsbald an die Lektüre gemacht. Vor allem die Originale haben es mir angetan. Schriftstücke direkt aus der Feder meines großen Vorbildes“, rief er ekstatisch aus. „Damals ist mir die Sache noch wie ein kleines Wunder vorgekommen. Bis ich begriff, dass es alles andere als ein Wunder war, sondern lediglich auf die guten Kontakte meines Mentors zurückzuführen ist. Das Netzwerk seiner Sympathisanten reicht bis in die US-Geheimdienste hinein“, verkündete er voller stolz.
    „Unglaublich. Aber ja, ich gebe Ihnen recht. Der Doktor hat ein erschreckend gutes Netzwerk“, bestätigte ihn Marie.
    „So hätte es der Führer damals auch machen sollen“,

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