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Totgeburt

Totgeburt

Titel: Totgeburt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam E. Maas
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meinte Steinmetz.
    „Wie denn?“
    „Na, wieso sollte man gegen jemanden kämpfen, der im Grunde genommen auf der selben Seite steht?“
    „Ich kann Ihnen nicht folgen, Herr Doktor … ich bin doch nur eine Frau!“
    „Der neue Nationalsozialismus muss eine globale Bewegung werden … unter dem Deutschen Volk vereint, versteht sich. Die weiße Rasse muss im Angesicht des demographischen Wandels fusionieren.“
    „Sie meinen doch nicht! Wir und die Amerikaner?“
    „Oh doch. Aber natürlich nicht alle Amis.“
    „Aber Herr Doktor Steinmetz, die Amerikaner, die werden niemals dabei mitmachen!“, warf Marie ein.
    „So? Sie hätten im Zweiten Weltkrieg genauso gut auf unserer Seite stehen können. Es hat nicht viel gefehlt. Siebzehn Prozent der US Bevölkerung haben schließlich Deutsche Wurzeln und die Deutsche Sprache ist erst mit dem Ersten Weltkrieg aus den Gassen der amerikanischen Städte verschwunden. Fast,“ so witzelte Steinmetz, „wären die USA ganz offiziell die VSA geworden.“
    „Hahaha, VSA! Ach, wie schön“, rief Marie.
    „Haha … ein paar Jahre später haben wir doch auch auf derselben Seite gestanden und zusammen gegen den Iwan und den Kommunismus gekämpft.“
    „Bolschewiken!“, sagte sie zornig.
    Marie realisierte zu spät, dass man den Assistenten bei bestimmten Themen nicht noch ermutigen durfte. Sie hätte es bei dem ersten Wutausbruch, der gegen die Juden gerichtet gewesen war, merken müssen. Nun war es jedoch zu spät, er schwadronierte bereits über die Weltverschwörung der Kommunisten. Sie wurde nervös. Der Doktor konnte jede Minute hereinplatzen und ihre Unterhaltung unterbinden. Sie wollte Steinmetz aber auch nicht vor den Kopf stoßen und ließ ihn daher gewähren.
    „Die Dokumente hatten also ihren Weg zurück in unsere Heimat gefunden“, unterbrach sie ihn schließlich. „Aber was ist danach geschehen?“
    „Der wehrte Doktor hat den alten Ansatz weiterentwickelt. Er hat den gesamten Versuchsaufbau revolutioniert. Dazu gehören auch die Substanzen, die wir den Testobjekten verabreichen. Mengele wäre sicherlich stolz gewesen auf das neue Programm. Wir sind um Lichtjahre weiter“, triumphierte er. „Der Doktor hatte in seiner Zeit als Einzelgänger ein komplett überarbeitetes Zuchtprogramm auf die Beine gestellt. Das ist komplizierter als man denkt. Es gibt exakte Statistiken zur Häufigkeit von Zwillingsgeburten. Da muss man schon aufpassen, dass alle schön weit verbreitet leben. Eine Anomalie, wie Mengele sie in Südamerika generiert hat, darf sich nicht wiederholen. Dies ist schließlich nicht irgendeine rückständige südamerikanische Diktatur, keine Bananenrepublik, sondern das Heimatland.“
    „Ich verstehe.“
    „Die Arbeit muss im verborgenen ausgeführt werden. Unser Projekt ist eine regelrechte Nacht und Nebel Aktion. Aber wer den Tag genießen will, und der Tag wird kommen, muss halt nachts arbeiten.“
    „Schön formuliert.“
    „Danke für die Blumen.“
    „Wieso wurde Sebastian nicht schon früher getestet“, fragte Marie.
    Da schmunzelte Dr. Steinmetz.
    „Solche Dinge sind im Nachhinein immer klar ersichtlich. Wir, ich meine der Doktor, hat damals strenggenommen keinen Fehler gemacht, sondern ist strikt nach Schema vorgegangen. Unser Interesse hat ursprünglich allein Eineiigen-Zwillingen gegolten. Sebastians Mutter war eine. Sie hatte vor ihrer Mitwirkung am Programm falsche Zwillinge zur Welt gebracht … ehm, Bruder und Schwester. Nachdem sie starb und Sebastian auch nicht in das Schema hineingepasst hatte, wurde die Familienlinie fallen gelassen. Wer durch das Raster fällt wird aussortiert.“
    „OK.“
    „Nur ein umsichtiger und rastloser Geist, wie er dem Doktor zu eigen ist, hätte den Fehler erkennen können. Nun sind wir dabei, das Malheur zu korrigieren.“
    Marie lächelte entzückt und machte ihm schöne Augen.
    „Es ist ein Wunder, dass Sebastian damals nicht abgetrieben worden ist“, fuhr Steinmetz fort. „Der ganze Stammbaum ließ zu wünschen übrig und nach dem Tod der Mutter hat man die Kinder fallen lassen. Ich sehe da Parallelen zu Beethoven. Heutzutage ist die Wahrscheinlichkeit enorm hoch, dass man das Genie einfach abtreiben würde.“ Da stockte er. „Ist das nun gut oder schlecht? Eigentlich ist es ja die wissenschaftlich korrekte Vorgehensweise, also lebensunwertes Leben auszulöschen. Aber es ist ja schließlich Beethoven, ein Wunderkind und gefeiertes Genie. Vielleicht ist es besser, diese Menschen bloß

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