Totgeglaubt
aus und schüttelte dann den Kopf. Allie wusste nicht, dass Irene sich tatsächlich mit einem anderen Mann getroffen hatte – mit ihrem eigenen Vater. Es würde ihr unglaublich wehtun. Er sah das Unglück auf sich zukommen und es machte ihn fast wahnsinnig, dass er nichts, aber auch gar nichts unternehmen konnte. “Das wird ja immer besser.”
Das Klingeln ihres Handys riss Allie aus dem Tiefschlaf. Sie wühlte zwischen ihren Kissen nach dem Telefon und hätte dabei fast die Lampe vom Nachttisch gerissen. Erst als sie Whitney auf sich zulaufen hörte und merkte, dass das Klingeln dabei immer lauter wurde, erinnerte sie sich daran, dass sie ihr Handy in der Küche hatte liegen lassen.
Sie rieb sich die Augen, drehte sich zu ihrer Tochter um, die jetzt an ihrer Bettkante stand, und erschrak, als sie helles Tageslicht in den Raum fluten sah. “Oh nein, sind wir zu spät dran?”
“Wofür?”, fragte Whitney.
“Für die Schule!”
Ihre Tochter lachte. “Aber es ist doch Samstag, du Schlafmütze! Ich muss heute doch gar nicht in die Schule!”
“Stimmt. Gott sei Dank.” Allie nahm das Telefon entgegen, ließ sich in die Kissen zurückfallen und deckte den Hörer mit der Hand ab, als sie Whitney fragte, was sie gerade machte.
“Ich schaue mir Zeichentrickfilme an”, sagte Whitney und rannte zurück ins Wohnzimmer.
Allie sah ihrer Tochter nach, erleichtert, dass sie sich offenbar an das neue Zuhause gewöhnt hatte. Dann nahm sie das Telefon ans Ohr. “Hallo?”
“Allie?”
Es war ihre Mutter. Allie war nicht überrascht. Seit sie ausgezogen war, kam Evelyn sehr oft vorbei, und sie brachte jedes Mal Möbel mit. “Hi, Mom. Was gibt’s?”
“Warum hast du mich nicht geweckt, als du Whitney gestern Nacht abgeholt hast?”
“Ich wollte dich nicht stören.”
“Wäre nicht schlimm gewesen.”
“Aber es gab keinen besonderen Anlass.”
“Wir hätten ein bisschen reden können.”
Ihr Vater war zu Hause gewesen, und Allie hatte keine Lust gehabt, ihn gleich mit aufzuwecken. “Wir können doch jetzt reden, oder nicht?”
“Ja”, sagte Evelyn. “Wie geht es euch? Habt ihr genug zu essen?”
“Es geht uns gut, Mom.”
“Vielleicht sollten wir heute einkaufen gehen – nur das Nötigste. Dann muss ich mir nicht so viele Sorgen um dich machen. Weißt du, es wird vielleicht eine Weile dauern, bis du Arbeit findest.”
Allie dachte an den Job, den sie gerade angenommen hatte. Sie wusste, dass ihre Mutter nicht begeistert sein würde, wenn sie hörte, dass sie an Clays Verteidigung mitarbeitete, aber sie sah trotzdem keinen Grund, es ihr zu verheimlichen. So schnell wie sich Klatsch und Tratsch in Stillwater verbreiteten, würden Evelyn und der Rest der Stadt es ohnehin bis zum Abend wissen.
“Tatsächlich hab ich bereits einen Job”, erklärte sie.
Evelyn stürzte sich sogleich auf die Neuigkeit: “Wirklich? Das ist ja fantastisch! Wo?”
Allie gab ein kleines Krächzen von sich. “Ich helfe Grace bei Clays Verteidigung.”
Schweigen. Allie umklammerte das Handy fester, weigerte sich aber, als Erste zu sprechen. Schließlich sagte Evelyn. “Das ist ein Scherz, oder?”
“Nein, ist es nicht.”
“Allie … Mit dieser … dieser Besessenheit für Clay Montgomery bist du jetzt weit genug gegangen, findest du nicht?”
“
Besessenheit?”
Ihre Mutter ging nicht auf ihre Nachfrage ein. “Es ist jetzt Sache des Gerichts, über den Fall zu entscheiden.”
“Wie können sie zu der richtigen Entscheidung kommen, ohne die Fakten zu kennen, Mom?”
“Welche Fakten? Du bist eine gute Ermittlerin, Allie. Aber selbst du hast nichts Neues herausgefunden.”
“Ich kann nicht einfach so aufgeben. Irgendjemand hat gerade versucht, Clay umzubringen. Das, was hier passiert, ist bei Weitem nicht so klar und eindeutig, wie alle gerne glauben würden.”
“Du weißt, dass es Joe war, der auf Clay geschossen hat. Also geh wieder in deinen alten Job und schnapp ihn dir. Er verdient es. Aber dann vergiss Clay endlich.”
“Ich bin nicht überzeugt davon, dass es Joe war.”
“Das solltest du aber! Als ich eben im Supermarkt war, habe ich gehört, wie Joes Exfrau zu Francine Eastman gesagt hat, dass sie glaubt, dass Joe deine Waffe hat. Sie sagte, sie sei bei ihm vorbeigefahren, um sich Geld abzuholen, das er ihr schulde, und habe dabei etwas gesehen, das wie eine Pistole aussah.”
“Warum hat sie es nicht gemeldet?”
“Die beiden liegen permanent im Streit miteinander. Wobei sie gerade
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