Totgeglaubt
Leben so vieler Menschen durcheinandergebracht.
“Also: Sie versuchen ab jetzt nicht mehr, es mir anzuhängen, okay? Vergessen Sie den Scheiß, den Cindy herumtratscht, und lassen Sie mich künftig aus dem Spiel.”
Und während sie noch versuchte, ihre Gedanken zu ordnen, fügte er hinzu: “Sie werden es sonst bitter bereuen.”
“Soll das eine Drohung sein?”, fragte sie.
“Was glauben Sie?”
“Madeline weiß, dass ich mit Ihnen zusammen hier bin.”
“Ach ja? Unfälle passieren nun mal. Und es wäre doch schade, wenn man Ihr Auto in einer Schlucht finden würde, oder? Aber was soll man machen? Die Straßen hier draußen sind nun mal verdammt schmal und kurvig.”
Joe hatte noch nie ein sonderlich gewinnendes Wesen gehabt, aber die Enttäuschungen und Herausforderungen des Lebens hatten ihn zu einer weit mieseren Version dessen gemacht, was er hätte werden können. Allie wusste, dass Grace richtiggehend Angst vor ihm hatte – und wahrscheinlich nicht ohne Grund.
“Die Wahrheit ist doch jetzt auf dem Tisch”, stellte sie fest. “Warum sollten Sie jetzt noch weiteren Ärger riskieren?”
“Weil ich es nicht mag, wenn man mir in die Quere kommt.”
Er sah sie offenbar immer noch als Hindernis für seine Rache an den Montgomerys.
“Und man würde mir nichts nachweisen können”, fügte er hinzu. “Dafür würde ich schon sorgen.”
“Sie sind doch nicht so blöd, Ermittlungen oder womöglich Gefängnis zu riskieren, wenn Sie den Durchsuchungsbefehl längst in der Tasche haben! Wenn Clay Ihren Onkel umgebracht hat, sollte Ihnen das doch wohl reichen, oder nicht?”
Er kaute, spuckte und kaute wieder. “Sie haben recht. Die Leiche liegt dort irgendwo, und ich werde sie finden.”
Seine Stimme wurde plötzlich heller, und die Anspannung zwischen ihnen löste sich. Er hatte nicht vorgehabt, ihr etwas anzutun. Das brauchte er gar nicht. Er hatte den Staatsanwalt so weit, ein Verfahren gegen Clay einzuleiten, und er hatte einen Durchsuchungsbefehl, der höchstwahrscheinlich das fehlende Beweisstück zutage fördern würde. Und sie selbst? Sie hatte gar nichts in der Hand.
“Sie sehen bedrückt aus.” Joe beugte sich vor, um sicherzugehen, dass ihr sein hämisches Grinsen nicht entging. “Erzählen Sie mir nicht, dass Ihnen gerade aufgeht, dass der Mann, den Sie lieben, tatsächlich in den Knast wandern wird.”
“Clay ist unschuldig”, beharrte sie.
Joe lachte. “Sehen Sie den Tatsachen ins Auge, Allie. Sie haben verloren.” Er grabschte nach ihrem Kinn und hielt es fest, bis er ihr einen widerlich nassen, nach Tabak schmeckenden Kuss auf den Mund gepresst hatte.
“Hauen Sie ab!” Sie stieß ihn von sich und verzog das Gesicht, als sie sich seine Spucke von den Lippen und vom Kinn rieb.
“Wie rührend”, bemerkte er und hielt sich die Hand aufs Herz. “Sie sparen sich für Clay auf. Sie müssen ihn ja mächtig lieben. Aber wenn Sie glauben, dass er Sie auch liebt, dann irren Sie sich. Er benutzt Sie, Baby. Schlicht und einfach. Beth Ann sagt, er hat kein Herz. Nur einen dicken Schwanz.”
Glucksend vor Lachen stieg er in seinen Truck und fuhr davon.
Allie sah ihm nach. Sie war am Boden zerstört. Sie hatte falschgelegen. Der Schuss auf Clay hatte nichts mit den Vincellis zu tun. Nichts von alldem, was sie herausgefunden hatte, konnte Clay noch helfen.
Sehen Sie den Tatsachen ins Auge, Allie. Sie haben verloren.
Und das galt auch für den Mann, den sie liebte.
23. KAPITEL
A ls Joe ihm auf der kurvigen Straße entgegenkam, erkannte Clay ihn nicht gleich. Es war zu dunkel. Aber als ihm klar wurde, wem das einzige Auto gehörte, dem er seit der Abzweigung vom Highway begegnet war, wurde aus Clays Unbehagen blanke Panik. Was hatte Joe hier zu suchen?
Wieder verfluchte Clay, dass er kein Handy hatte. Er hatte bislang keine Notwendigkeit dafür gesehen. Er hatte kein Interesse daran, dass Leute ihn ständig erreichen konnten. Ohnehin war er meistens auf der Farm. Aber heute war er aufgeschmissen ohne Telefon. Er hatte Allie seit seinem Aufbruch von der Farm erst einmal anrufen können, von einem Münzsprecher am Straßenrand. Aber sie war nicht rangegangen, und er hatte nicht noch mehr Zeit verschwenden wollen. Irgendetwas lief da schief. Das spürte er. Und die Begegnung mit Joes Explorer nährte dieses Gefühl nur noch.
“Ich bringe ihn um”, zischte er. Wenn irgendetwas ihn zu dem Mann machen konnte, den alle Welt in ihm sah, dann die Entdeckung, dass jemand Allie etwas
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