Totgeglaubt
über die Felder und das Gelände zwischen den Wirtschaftsgebäuden schweifen ließ.
Niemand antwortete, und nichts bewegte sich, außer den Hühnern, die nach Körnern pickten, und dem Laub, das im seichten Wind raschelte.
Allie ging hinüber zur Scheune. Clay verbrachte viel Zeit mit dem Reparieren alter Autos. Sie war sich fast sicher, dass sie ihn beim Auseinandernehmen eines Motors antreffen würde. Aber das Scheunentor war verriegelt und sogar durch ein schweres Vorhängeschloss gesichert.
Auf der rechten Seite erkannte sie den kleinen Raum, der einmal Barkers Büro gewesen war. Sie hatte ihren Vater einmal dorthin begleitet. Das war zwar lange her, aber sie erinnerte sich trotzdem lebhaft an Barker: einen Mann mittleren Alters, der mit sanftem Blick an seinem Schreibtisch saß und eine Lesebrille trug, die sie vorher noch nie an ihm gesehen hatte.
Sie warf einen schnellen Blick über ihre Schulter, um sich zu vergewissern, dass sie nicht beobachtet wurde, und trat näher an das Fenster heran. Die Sonne spiegelte sich in der Fensterscheibe. Allie schirmte ihre Augen mit einer Hand ab und blinzelte. Barkers Büro war vollkommen leer! Kein Aktenschrank und kein Schreibtisch war zu sehen, nicht mal mehr die kleine Klimaanlage. Sogar der Teppich war entfernt worden.
Offensichtlich rechnete Clay nicht mehr mit Barkers Rückkehr. In Anbetracht der vielen Jahren, die der Reverend nun schon verschwunden war, konnte Allie das nachvollziehen. Aber warum benutzte Clay den Raum nicht selbst? Vielleicht war er aber auch gerade dabei, ihn umzubauen und einzurichten. Allie kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können, aber das tiefe Brummen eines Motors schreckte sie auf. Sie spähte zwischen den Gebäuden hindurch. Ein Abschleppwagen fuhr in Richtung Stadt davon.
War das Jed Fowler? War er ihr gefolgt?
So schnell es ihre hohen Absätze erlaubten, flitzte sie um die Ecke der Scheune, um vom vorderen Teil des Grundstücks noch einen Blick auf den Abschlepper zu erhaschen. Da packte sie plötzlich ein kräftiger Arm und riss sie so jäh aus ihrer Bewegung, dass sie einen Schuh verlor.
“Was machen Sie hier?”
Allie blinzelte Clay an. In den letzten drei Tagen hatte sie – verhalten zwar, aber lebhafter als je zuvor – die verschiedensten Emotionen über sein Gesicht huschen sehen, doch jetzt war seine Miene geradezu versteinert.
“Sie sind nicht ans Telefon gegangen”, erklärte sie. Sie blickte an ihm vorbei in Richtung Straße. Aber der Abschleppwagen war nicht mehr zu sehen.
“Und?”, fragte er.
Jetzt schenkte sie ihm endlich ihre volle Aufmerksamkeit. “Und auf dem Weg zu Bonnie Ray habe ich Ihren Wagen gesehen und bei mir gedacht, dass Sie wahrscheinlich gerade draußen arbeiten.”
“Ich war unter der Dusche.”
Das konnte sie sehen: Aus seinen Haaren tropfte es immer noch auf seine nackten Schultern. Er war aus dem Haus gekommen, ohne sich ein Hemd oder Schuhe anzuziehen.
“Es tut mir leid. Ich wollte Ihnen nur kurz sagen, dass ich Lust auf ein gemeinsames Abendessen habe.”
Er strich sich das nasse Haar aus der Stirn. “Um ein bisschen in meiner Vergangenheit zu stöbern?”
“Damit wir gemeinsam herausfinden können, was Ihrem Stiefvater zugestoßen ist, und Madeline und dem Rest Ihrer Familie etwas Seelenfrieden verschaffen können.” Allie vermutete, dass ihm ihre Antwort nicht gefiel, aber sie wusste auch, dass er sich nicht darüber beschweren konnte. Egal, wie es um seine Gefühle stand.
“Und Ihr Vater?”, wollte er wissen.
“Machen Sie sich um den keine Sorgen. Er ist gerade nur ein bisschen … verwirrt.”
“Worüber?”
“Über die Art unserer Beziehung.”
“Die da wäre?”
Sie wusste selbst nicht genau, wie sie war – aber sie wusste, wie sie sein sollte. “Rein professionell.”
“Natürlich”, antwortete er.
“Also, wo sollen wir essen gehen?”
Er wischte sich einen Wassertropfen von der Brust. “Ich mag keine Menschenmengen.”
“Wir könnten in ein Café gehen, das etwas ab vom Schuss liegt. Oder, warten Sie … Ich glaube, ich weiß einen idealen Ort.”
Er zögerte, als hätte er seine Meinung geändert.
“Haben Sie es sich anders überlegt?”
“Vielleicht.”
Sie warf ihm ein provozierendes Lächeln zu. “Warum? Mache ich Sie nervös?”
Er lachte leise, wie eine Katze, die sich mit einem Kanarienvogel amüsiert. “Wann?”
“Gerne etwas später. Nachdem ich Whitney ins Bett gebracht habe?”
“Sie
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