Totgeglaubt
an.
Eins … zw…ei…ei… d…r…e…i
, stöhnte er und glaubte schon, es nicht zu schaffen. Aber er weigerte sich aufzuhören, bevor er sein Pensum absolviert hatte.
Los, verdammt! Hoch damit!
Sein gesamter Körper zitterte vor Anstrengung. Langsam bewegte sich die Hantel nach oben, aber es brauchte noch eine letzte eiserne Willensanstrengung, bis er sie mit ausgestreckten Armen über seinen Kopf stemmte.
Er japste nach Luft und hätte gerne guten Gewissens aufgehört. Er war sich auch gar nicht sicher, ob er noch eine Runde schaffte. Aber es war noch früh. Und er wollte Allie noch sehen, egal ob es gut oder schlecht für sie beide war, sich zu treffen.
Noch einmal. Er musste einfach weitermachen.
Zwei Wiederholungen schaffte er noch, dann erlöste ihn das Telefon. Er legte die Gewichte in die Halterung über seinem Kopf, setzte sich auf und schnappte sich ein Handtuch, um sich den Schweiß aus dem Gesicht zu wischen. Ob das Allie war? Sie hatte versprochen, ihn wegen des Essens anzurufen.
Er hatte genauso viel zu verlieren wie zu gewinnen, wenn er sie näher kennenlernte. Aber warum sollte er sich überhaupt die Mühe machen? Ohne Barkers sterbliche Überreste konnte Allie nicht beweisen, dass es sich überhaupt um einen Mord handelte, und sie konnte nicht beurteilen, ob Lucas Märchen erzählte oder nicht.
Zumindest hoffte Clay, dass es so war. Seit jener Nacht vor neunzehn Jahren wusste er nichts mehr mit Bestimmtheit. Mit einem leisen Fluch wartete er ab, bis der Anrufbeantworter ansprang, dann stieg er unter die Dusche.
Als Allie Clays Ansage hörte, legte sie wieder auf. Sie hatte noch etliche Leute zu befragen und würde sich einfach weiter durch die Zeugenliste arbeiten. Nachdenklich sah sie aus dem Fenster. Hoffentlich kam Clay nach ihrem überstürzten Abgang aus der Kirche nicht auf den Gedanken, dass sie kein Interesse daran hatte, mit ihm essen zu gehen. Was war bloß in ihre Eltern gefahren? Natürlich wollte Allie keinen Streit mit ihnen vom Zaun brechen – schon gar nicht jetzt, wo sie und Whitney mit ihnen unter einem Dach lebten. Aber alles hatte seine Grenzen. Sie würde sich nicht vorschreiben lassen, mit wem sie sich traf und mit wem nicht.
Um ein entsprechendes Signal zu setzen, beschloss Allie, jetzt erst recht mit Clay auszugehen. Was war schon dabei? Es ging um ein gemeinsames Abendessen, nichts weiter. Schließlich mussten sie irgendwann mal über die Umstände von Barkers Verschwinden sprechen, denn dazu war es – trotz ihrer vielen Begegnungen in den letzten Tagen – noch nicht gekommen. Außerdem warf das Foto, das Allie gerade bei Fowler entdeckt hatte, Fragen auf, die Clay sich möglicherweise noch nie gestellt hatte. Und dazu kam noch Lucas’ Aussage: Zwar hatte der behauptet, während der letzten zwei Jahrzehnte keinen Kontakt zu seiner Familie gehabt zu haben, aber seine Unachtsamkeit am Telefon deutete darauf hin, dass er sehr wohl mit einem von ihnen gesprochen haben musste. Allie hoffte, von Clay zu erfahren, wie, wann und warum Lucas sich mit ihnen in Verbindung gesetzt hatte.
Aber auch ganz unabhängig davon: Ein Abendessen mit Maddys Stiefbruder würde sicherlich in jedem Fall interessant werden. Begegnungen mit ihm waren immer interessant.
Sie legte ihr Handy beiseite und beschloss, es später noch einmal zu versuchen. Dann drosselte sie das Tempo, um auf das Grundstück gegenüber von Clays Farm einzubiegen. Das baufällige alte Haus, das ungefähr eine Viertelmeile von der Straße entfernt lag, wurde von Bonnie Ray Simpson bewohnt. Mit ihr zusammen lebten ihr alternder Ehemann, der vor Kurzem einen Schlaganfall erlitten hatte, und ihre Enkelin, ein launischer Teenager, mit deren Erziehung sie sich abplagte. In ihrer damaligen Aussage behauptete Bonnie Ray, gesehen zu haben, wie Barker in der fraglichen Nacht nach Hause kam.
Jetzt wollte Allie noch einmal überprüfen, wie sicher sich Clays Nachbarin dessen war. Aber als sie zu Clays Farm hinüberblickte und sich fragte, wohin er gefahren sein mochte, sah sie seinen Truck hinter dem Haus hervorblitzen. Hatte er das Telefon nicht gehört, weil er in der Scheune war oder irgendwo draußen auf dem Gelände?
Kurz entschlossen bog sie in Clays Einfahrt ein statt in Bonnies und parkte neben seinem Truck. Da er nicht ans Telefon gegangen war, machte sie sich gar nicht erst die Mühe, es an der Vordertür zu versuchen. Sie ging zum Hühnerstall hinter dem Haus und rief seinen Namen, während sie ihren Blick
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