Totgeglaubte leben länger: 8. Fall mit Tempe Brennan
das der tapferen, kleinen Familie bei ihrem letzten Gefecht.«
Plötzlich wurde mir klar, was mich schon die ganze Zeit an den Palast-Skeletten gestört hatte.
»Überleg dir mal Folgendes, Jake. Nach der Einnahme Masadas bewohnten die Römer es achtunddreißig Jahre lang. Hätten die in einem von Herodes’ Luxuspalästen Leichen herumliegen lassen?«
»Es kann natürlich sein, dass die Paläste während der Zelotenbesetzung verfielen. Aber du hast Recht. Das hätten sie auf keinen Fall getan.«
»Yadin wollte unbedingt, dass die Palast-Skelette einer jüdischen Rebellenfamilie gehörten. Er gestattete sich gewisse Freiheiten bei der Interpretation dieser Knochen und ging dann mit der Entdeckung an die Presse. Aber warum verschwieg er die Höhlen-Skelette?«
»Vielleicht wusste Yadin von Anfang an über die Schweineknochen Bescheid«, sagte Jake. »Vielleicht hatte er wegen der Schweineknochen Zweifel an der Identität der Individuen aus der Höhle. Vielleicht befürchtete er, dass sie gar keine Juden waren. Vielleicht hielt er sie für römische Soldaten. Oder für irgendeine Außenseitergruppe, die während der Besetzung in Masada lebte, aber mit den Zeloten nichts zu tun hatte.«
»Vielleicht wusste Yadin noch viel mehr«, sagte ich und dachte an Max. »Vielleicht war es genau andersherum. Vielleicht kam Yadin oder einer aus seinem Team darauf, wer tatsächlich in dieser Höhle begraben sein könnte.«
Jake erriet meine Gedanken. »Das einzelne, anatomisch korrekte Skelett.«
»Haas erhielt alle anderen Knochen, aber offensichtlich nie dieses eine Skelett.«
»Es wurde aus Israel hinausgeschmuggelt und nach Paris geschickt.«
»Wo es im Archiv des Musée de l’Homme verschwand und zehn Jahre später von Yossi Lerner wieder entdeckt wurde.«
»Nachdem Lerner zufällig auf das Skelett stieß, fiel ihm Donovan Joyces Buch in die Hände, und er war so überzeugt vom explosiven Potenzial des Skeletts, dass er es klaute.«
»Und jetzt wurde das Skelett schon wieder geklaut. Erwähnt Haas irgendwo in seinem Memo ein komplettes Skelett?«
Jake schüttelte den Kopf.
»Glaubst du, dass seine Erwähnung der Schweineknochen relevant ist?«
»Ich weiß es nicht.«
»Was meinte Haas mit dem ›Rätsel des Schweine- talliths ‹?«
»Ich weiß es nicht.«
Noch mehr Fragen ohne Antworten.
Und noch immer die große Frage.
Wer zum Teufel war Max?
Ryan holte mich um elf in Friedmans Tempo ab. Nachdem Jake sich noch einmal für die Rückgabe seines Mietwagens bedankt hatte, schleppte er sich ins Bett.
Ryan und ich fuhren zum American Colony zurück.
»Sein Zustand hat sich schon um einiges gebessert«, sagte Ryan. »Aber ein bisschen trottelig wirkt er immer noch.«
»Es ist ja noch nicht einmal achtundvierzig Stunden her. Lass ihm noch ein wenig Zeit.«
»Na ja, eigentlich wirkte er schon ein bisschen trottelig, bevor …«
»Zur Kenntnis genommen.«
Ich erzählte Ryan von Haas’ Memo und von dem Rätsel des Schweine- talliths , das er erwähnte. Außerdem sagte ich ihm, aus Haas’ Skelettinventar gehe deutlich hervor, dass er Max nie gesehen hatte.
Außerdem teilte ich ihm meine jüngsten Schlussfolgerungen mit, dass die Leichen nicht nur in die Höhle geworfen, sondern dort bestattet worden seien, und dass die Gräber dann später von Tieren verwüstet worden seien.
Er fragte, was das alles zu bedeuten habe. Abgesehen davon, dass meine Schlussfolgerungen die traditionelle Interpretation von Masada in Zweifel zogen, hatte ich darauf keine Antwort.
»Hast du deine Telefondaten bekommen?«
»Ja, Ma’am.« Ryan klopfte sich auf die Brusttasche.
»Warum dauert es eigentlich so lange, bis man Auskunft über Telefondaten erhält?«
»Man braucht zuerst einen Gerichtsbeschluss. Ist der dann endlich ausgestellt, arbeitet Bell Canada im Schneckentempo. Ich hatte nach ankommenden und abgehenden Anrufen bis zurück zum November gefragt und sie gebeten, die Listen zurückzuhalten, bis sie jeden Anruf identifiziert hätten.«
»Und das heißt?«
»Ferris’ privater und der Büroanschluss. Kaplans Laden und die Wohnung.«
»Was ist mit Handys?«
»Gott sei Dank haben wir es nicht mit der Handy-Szene zu tun.«
»Das vereinfacht einiges.«
»Beträchtlich.«
»Und?«
»Ich habe bis jetzt nur einen flüchtigen Blick auf das Fax geworfen. Da hier am shabbat ja sonst so gut wie nichts geht, habe ich mir gedacht, wir könnten es heute Nachmittag mit der Liste mal so machen wie die alten
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