Totgekuesste leben laenger
ist. Bei schwarzen Engeln verläuft es andersrum, über die Blau und Lilatöne zu Violett. Wenn man sein Amulett einsetzt, spiegelt sich die Farbe des Steins in der Aura wider. Ach, aber du hast ja noch gar keine Aura gesehen?«
Autsch, Zickenalarm … Wäre ich nicht so angestrengt damit beschäftigt gewesen, über meinen eigenen Stein nachzudenken, der schwarz wie die Nacht war, hätte ich ihm gesagt, er solle die Klappe halten. »Dann ist sie also schon länger dabei als du«, entgegnete ich.
Erstaunt fuhr er zu mir herum. »Wie kommst du darauf?«, fragte er, offenbar beleidigt.
Ich warf einen Blick auf sein Amulett, das nun, da er es nicht benutzte, mattschwarz war. »Das ist doch wie bei einem Regenbogen. Sie ist violett und du bist orange, einen Schritt von Rot entfernt. Du bist auf der anderen Seite des Regenbogens, aber erst wenn du rot bist, bist du genauso erfahren wie sie.«
Entrüstet sah er mich von oben bis unten an. »Mein Amulett ist nicht orange. Es ist rot!«
»Ist es nicht.«
»Ist es wohl! Und zwar schon seit der Erbauung der Pyramiden.«
Ich winkte ab. »Ist ja auch egal … Aber ich kapier immer noch nicht, was das mit dem Singen zu tun hat.«
Mit einem Schnauben wandte er sich ab und blickte wieder auf den Parkplatz. »Die Amulette ermöglichen es, außerhalb der irdischen Sphäre miteinander zu kommunizieren, und ich habe sie gehört. Die Farbe ihres Steins und ihr Gesang entsprechen einander. Es ist, als würde man eine Aura hören, anstatt sie zu sehen. Wenn man das erst mal weiß, ist es nicht mehr schwer zu erraten, wer da singt, weil sich sowieso nur wenige von uns innerhalb der irdischen Sphäre aufhalten. Und ich kann die schwarzen Engel zwar hören, aber nicht verstehen, was sie sagen. Dafür müsste Nakita die Farbe ihrer Gedanken meiner Aura anpassen, aber wir sind im Farbspektrum so weit voneinander entfernt, dass das fast unmöglich ist. Außerdem, warum sollte ich wollen, dass die mich mit ihren Gedanken berührt?«
Meine Augenbrauen hoben sich. Diese kleine Information wäre ganz hilfreich gewesen, bevor ich die verdammten letzten vier Monate damit verbracht hatte, zu lernen, wie ich mein Amulett einsetzte. »Aha. Ich dachte, ihr … guckt einfach mal eben im Himmel vorbei, wenn ihr miteinander reden wollt.«
Sein Kopf senkte sich. »Ganze Zeitalter sind vergangen, seit ich das Amulett genommen habe und zu einem der Erdgebundenen geworden bin.« Erdgebunden? »Mooooment«, hakte ich nach. Der Kies knirschte unter meinen Schuhsohlen, als ich zu ihm herumfuhr. »Ihr Engel seid erdgebunden?« »Nein, nur die weißen«, erklärte er und wurde rot. »Nakita kann kommen und gehen, wie sie will. Sie berührt die Erde gerade lange genug, um zu töten, dann verschwindet sie wieder.«
Das hatte ganz schön verbittert geklungen. »Und ich dachte, alle Engel wohnen im Himmel?«
»Nein«, antwortete er knapp. »Nicht alle von uns.« Er zog eine Grimasse und fuhr sich mit der Hand durch die Locken, was sie auf charmant attraktive Art nur noch mehr zerzauste. »Engel begehen nur ganz selten Sünden, aber wenn es doch mal passiert, schlagen sie oft eine Laufbahn als Todesengel ein, um Buße zu tun. Und wenn sie die Absolution erhalten haben, kehren sie wieder zu ihren alten Pflichten zurück.«
Buße? Absolution? Barnabas war ein Todesengel, weil er irgendwie Ärger gemacht hatte? Na toll, und ich hatte natürlich nichts Besseres zu tun, als ihm noch mehr Schwierigkeiten zu bereiten!
»Was hast du denn angestellt?«
Barnabas verschränkte die Arme und lehnte sich an die Mauer. »Ich bin ein weißer Engel, weil ich eine moralische Verantwortung trage, und nicht, weil ich das Missfallen der Seraphim erregt habe. Was die denken, ist mir egal.«
Barnabas hatte in meinem Beisein schon häufig »Bei den Seraphim!« geflucht - und über sie mindestens genauso oft -, wenn wir auf meinem Dach saßen und mit Steinchen nach den Fledermäusen warfen. Ich hatte schon mitgekriegt, dass er von den Obermotzen im Engelreich nicht allzu viel hielt, aber es interessierte mich doch, worin ihr Job eigentlich bestand. Nun ja, ein Universum zu leiten, war sicher kein Spaziergang.
Barnabas, der mich immer noch nicht ansah, stieß sich von der Mauer ab und stellte sich an den Punkt, wo Schatten und Sonne zusammentrafen. Ich ahnte, dass er mir etwas verschwieg, und mein Unbehagen wuchs. Er stemmte die Hände in die Hüften und starrte auf den heißen Parkplatz hinaus. »Sie hat wirklich recht. Hier
Weitere Kostenlose Bücher