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Totgekuesste leben laenger

Totgekuesste leben laenger

Titel: Totgekuesste leben laenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrison
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Covington High. Bevor ich einen Blick auf seine Flügel werfen konnte, verschwanden sie wie immer mit jeder Menge Gewirbel, um trockenen Jeans, einem schlichten schwarzen T-Shirt und einem langen, grauen Mantel zu weichen – der zwar die absolut falsche Bekleidung bei dem Sommerwetter war, dafür aber die absolut richtige, um ihn gut aussehen zu lassen. Die matte Farbe und die Art, wie der Mantel ihm weich von den Schultern bis zu den Fersen fiel, erinnerten mich an Barnabas' Flügel.
    Unsicher schlängelte ich mich an ein paar Autos vorbei zum Fahrradständer. Heute Morgen hatten die Autos hier noch nicht geparkt und ich fragte mich, was in der Schule wohl los war. Ich brauchte zwei Versuche, bis ich mich an die richtige Kombination für mein Fahrradschloss erinnerte. Dann schob ich mein grünes Zehngangrad zu Barnabas in den Schatten, lehnte es an die hüfthohe Mauer, ließ mich dagegensacken und wartete auf Ron, Barnabas' Boss.
    Mein Auto, das noch immer bei meiner Mom in Florida war, fehlte mir. Doch endlich mehr Zeit mit meinem Dad verbringen zu können, machte den fahrbaren Untersatz mehr als wett. Mom hatte mich hergeschickt, weil sie genug von den ständigen Gesprächen mit meinen Lehrern, meinem Schuldirektor und anderen Eltern hatte. Jetzt musste sie nicht mehr fürchten, dass ein Polizist am anderen Ende der Leitung war, wenn nach Einbruch der Dunkelheit das Telefon klingelte. Doch eigentlich war das alles halb so wild gewesen.

3
    Irgendwo lärmte eine Grille. Ich kletterte zu Barnabas auf die Mauer, verschränkte die Arme und ließ sie sofort wieder sinken. Ich wollte nicht zu niedergeschlagen wirken, schließlich sah Barnabas missmutig genug für uns beide aus. Den Griff, mit dem er mich auf dem Heimweg festgehalten hatte, konnte man nicht gerade sanft nennen. Außerdem war er sehr still gewesen. Nicht, dass er sonst viel redete, aber diesmal kam noch so eine Verkniffenheit, beinahe ein dumpfes Brüten hinzu. Vielleicht war er sauer, dass er so nass geworden war, als er in den See sprang. Seinetwegen war jetzt mein ganzer Rücken feucht.
    Beklommen tat ich so, als müsste ich mir die Schnürsenkel zubinden, um ein paar Zentimeter von ihm abzurücken. Ich hätte ihn bitten können, mich zu Hause abzusetzen, aber mein Fahrrad war nun mal hier. Ganz davon abgesehen, dass ich nicht wollte, dass die neugierige Mrs Walsh mitkriegte, wie Barnabas die Flügel ausbreitete und wegflog. Die Frau hatte ein Fernglas auf dem Fensterbrett stehen, da war ich mir hundertprozentig sicher. Die Schule war der einzige Ort, von dem ich dachte, dass uns dort niemand sehen würde. Ich hatte keinen blassen Schimmer, warum hier nun um diese Zeit so viele Autos standen.
    Ich kramte mein Handy aus der Tasche, um nachzusehen, ob jemand angerufen hatte. Dann steckte ich es wieder weg. »Tut mir leid, dass du meinetwegen während deiner Vollstreckung erkannt worden bist«, entschuldigte ich mich und warf Barnabas einen geknickten Blick zu.
    »Das war keine Vollstreckung, sondern eine Sensenprotektion.«
    Seine Stimme klang gepresst und ich befand im Stillen, dass er für jemanden, der schon so lange existierte, ganz schön kindisch war. Vielleicht war er ja deswegen den Siebzehnjährigen zugeteilt worden. »Tut mir trotzdem leid«, wiederholte ich und knibbelte an der Mauerkante rum.
    Barnabas lehnte sich an die Mauer, blinzelte zum Himmel hinauf und seufzte. »Schon gut.«
    Bevor sich wieder diese drückende Stille ausbreiten konnte, trommelte ich mit den Fingernägeln auf den harten Zement. »War ja klar, dass die Hübscheste der schwarze Engel ist.«
    Pikiert blickte Barnabas auf »Hübsch? Nakita ist ein Todesengel der Finsternis.«
    Meine Schultern hoben und senkten sich. »Ihr seht doch alle super aus. Allein daran könnte ich jeden von euch in einer Menschenmenge erkennen.«
    Überraschung zeichnete sich auf seinem Gesicht ab als hätte er zuvor nie bemerkt, wie perfekt sie alle waren.Er sah wieder weg, doch ich ließ nicht locker. »Du kennst sie also?«
    »Ich habe sie schon singen hören, ja«, antwortete er leise. »Und als sie ihr Amulett eingesetzt hat, um ihr Schwert hervorzurufen, hatte ich auch ein Gesicht zu ihrem Namen. Um so einen tiefvioletten Stein zu haben, muss sie schon sehr lange ein schwarzer Engel sein. Mit wachsender Erfahrung ändern die Steine ihre Farbe innerhalb des Spektrums. Weiße Engel fangen bei Grün an und wandern dann über Gelb und Orange zu einem so dunklen Rot, dass es schon fast schwarz

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