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Totgesagt

Totgesagt

Titel: Totgesagt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Weaver
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die Augen. Von links schob sich ein Wagen aus Metall – wie die, die man in Operationssälen verwendet – in mein Blickfeld. Legions Hände hielten die Griffe. Obenauf lagen auf separaten Metalltabletts ein Skalpell und ein Hammer, außerdem zwei Nägel in der Länge von Kugelschreibern. Ein Stück entfernt lag ein dritter Nagel: größer, dicker, länger – wie eine rostige Eisenstange. Er musste aus der Bahnschwelle gezogen worden sein.
    Als der Wagen hielt, nahm sich Legion einen Moment Zeit, um die Positionen der Instrumente auf den Tabletts minimal zu korrigieren. Dann drehte er mir langsam das Gesicht zu. Während dieser künstlich in die Länge gezogenen Prozedur blinzelten seine Augen unter der Maske kein einziges Mal.
    Ich sah in die Augen eines Mörders.
    Er verschwand wieder aus meinem Blickfeld. Ich versuchte, den Kopf zu heben und den Schmerz zu überwinden. Ich konnte die Doppeltür zum benachbarten Raum sehen, in dem ich zuvor gesessen hatte. Doch diese Tür war jetzt geschlossen.
    Ich schaute nach links.
    Eine Aluminiumleiter lehnte an der Wand. In diesem Moment tauchte Legion auf, hob die Leiter hoch und schaute zu mir auf. Seine Blicke glitten über meinen Körper. Mit einem kratzenden Geräusch strich seine Zunge an der Innenseite der Maske entlang. Und dann stellte er die Leiter direkt unter meinen linken Arm.
    »Warum tun Sie das?«, fragte ich und blickte auf ihn hinunter.
    Er reagierte nicht. Stattdessen griff er nach dem Skalpell und kletterte die Leiter hinauf. Er beugte sich zu mir vor, die Maske war nun etwa zwanzig Zentimeter von meinem Gesicht entfernt, sein Geruch erfüllte die Luft, schien aus
seinem ganzen Körper zu strömen. Ich schaute auf das Skalpell, dann wieder in seine Augen. Je gefährlicher ein Mann war, desto schwerer fiel es ihm, die Dunkelheit in seinem Inneren zu unterdrücken. Legions Geruch war wie die Ausdünstung eines Tieres: eine Warnung, ihm nicht zu nahe zu kommen, wenn man keinen Schaden nehmen wollte.
    »Warum tun Sie …«
    Blitzschnell fuhr er mit dem Skalpell über meine Hüfte. Ich schrie auf und versuchte automatisch, an die Wunde zu greifen. Doch mein Arm, eng an die Bahnschwelle gefesselt, rührte sich nicht.
    Legion stieg die Leiter wieder hinunter. Seine Augen funkelten vor Vergnügen. Als er unten ankam, warf er das Skalpell auf den Rollwagen und schaute zu mir hoch. Betrachtete mich einen Moment. Genoss den Anblick meines zuckenden Gesichts. Der Schmerz dehnte sich von der Wunde aus, strahlte über meine Haut, unter die Haut, in meine Muskeln und Knochen.
    Er nahm den Hammer und die dünneren Nägel; den dritten Nagel ließ er auf dem Tablett liegen.
    »Ich übernehme auf vielerlei Weise Verantwortung für dich«, sagte er mit knapper, scharfer Stimme. Sie klang abgehackter, als ich sie in Erinnerung hatte, als wäre sein Mund voller Glasscherben. »Bei unserer ersten Begegnung in diesem Pub habe ich dich angesehen und gedacht: ›Der kommt nicht weit. Ihm fehlt der Wille.‹ Und trotzdem bist du jetzt hier.« Er zuckte die Schultern. »Ich hätte dir eine Kugel in den Kopf jagen sollen und uns allen viel Ärger ersparen können.«
    Wieder begann er, die Leiter hinaufzusteigen.
    »Aber so macht es mehr Spaß.«
    Er musterte mich und senkte kaum merklich den Kopf. Ein Schatten fiel auf sein Gesicht, sodass ich nur noch den
Mund der Maske sehen konnte: breit, grinsend, beängstigend, Eckzähne hinter blutroten Lippen. Ich stellte mir vor, dass er hinter dem Plastik lächelte. Und sich amüsierte. Dass er sich an meinem Schmerz labte. Und ich stellte mir vor, dass sich sein Gesicht – in diesem Augenblick – nicht allzusehr von der Maske unterschied.
    »Stopp!«, sagte ich.
    Er ignorierte mich, wählte einen der Nägel aus und drückte seine Spitze gegen meinen Zeigefinger. Sie war rasiermesserscharf und drang sofort durch meine Haut.
    »Sie haben mir gesagt, du bist Rechtshänder«, stellte er fest.
    »Stopp!«
    »Also werden wir zuerst links ein bisschen Spaß haben.«
    » Stopp! «
    Er hieb den Hammer auf den Kopf des Nagels. Ich spürte, wie er sich seinen Weg durch meinen Finger bahnte und dann das Holz der Bahnschwelle spaltete. Dann, nach ein paar Sekunden, kam der Schmerz. Unermessliche Wellen von Schmerz, die in meinen Armen und in der Hand brannten wie ein Blitzeinschlag. Ich schrie auf, und der Schrei hallte von den Wänden wider.
    »Die Hand ist ein sehr komplexer Teil der Anatomie«, fuhr Legion in ruhigem und sachlichem Ton fort. Er

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