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Totgesagt

Totgesagt

Titel: Totgesagt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Weaver
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über die Felder der Farm schwebte.
    Er stieß die Schaufel in den Boden und spürte die Schwingungen in ihrem Stiel. Einen Moment lang pochte der Schmerz in seinen Fingern, wurde aber schnell wieder dumpf. Er drehte seine linke Hand um. An den Fingerspitzen, wo er früher die Fältchen und Lebenslinien betrachtet hatte, zeigte die Haut glatte, weiße Flecken. Narben. Einen guten Zentimeter im Durchmesser und mehr oder weniger rund. Als er die Hand wieder umdrehte, sah er dieselbe Wunde unter der dünnen Schicht des Fingernagels durchscheinen. Allerdings: Im Gegensatz zum nachgewachsenen Nagel hatte sich die Fläche um die Wunde herum nicht wieder völlig geschlossen – und würde es auch nie tun. Dort war eine Art Furche entstanden, ein blutleeres, farbloses Stück Haut.
    Der letzte Abschnitt des Programms.
    Das Programm zerstörte sie und baute sie wieder auf, machte sie bereit für ihr nächstes Leben. Ein nächstes Leben ohne die Erinnerungen an Sucht oder Missbrauch oder Gewalttaten. Aber auch ohne die Erinnerungen an irgendetwas anderes, das sie einmal getan hatten, oder an irgendwelche Orte, an denen sie gewesen waren, an irgendwelche Menschen, die sie geliebt hatten. Nicht mal für eine Sekunde. Wenn das Programm abgeschlossen war, besaßen sie keinerlei Erinnerungen an ihr erstes Leben.

    Und keine Vergangenheit.
    Bei ihm allerdings war es anders – und es würde immer so bleiben.
    Er steckte eine Hand in seine Tasche und berührte mit den Fingern die Oberfläche des Polaroid-Fotos. Er musste es nicht herausziehen. Er wusste, wie es aussah. Kannte jeden Zentimeter. Und er wusste, was er damit tun würde, falls er je die Chance dazu bekäme. Er hatte von Anfang an gegen das Programm gekämpft. Und die Erinnerungen, an die er sich hatte klammern können, in seiner Tasche und in seinem Kopf, würden sie niemals entdecken.
     
    Er fährt an den Bordstein und stellt den Motor ab. Durch die Windschutzscheibe zieht sich von links nach rechts ein Riss. In der Ecke, über dem Lenkrad, sieht er Blut. Viel Blut.
    Er steigt aus und verriegelt die Türen.
    An der Front des Wagens ist der Kühlergrill beschädigt, von einem der Scheinwerfer sind nur Trümmer geblieben, und an der Kühlerhaube klebt überall Blut. Wie Farbe verspritzt. Zur Seite und nach unten, sodass es das Markenemblem und die Lampen, die Stoßstange und das Nummernschild bedeckt. Er dreht sich um und schaut den Pfad zum Haus hinauf.
    Durch das Fenster erkennt er seinen Dad.
    Schnell geht er über den Pfad und die Veranda hinauf, dann öffnet er die Haustür. Im Haus riecht es nach frittiertem Essen. In der Küche sieht er seinen Dad, der eine Pfanne hin und her schüttelt. Zuerst bemerkt sein Dad ihn nicht, dann aber – als er sich umdreht – zuckt er vor Schreck zusammen.
    »Oh, hast du mir einen Schrecken eingejagt«, sagt sein Dad.

    Er betrachtet ihn von oben bis unten.
    »Was ist passiert?«
    »Ich hab es getan, Dad.«
    »Was getan?«
    »Al.«
    »Was ist mit ihm?«
    »Ich hab mich um ihn gekümmert.«
    Sein Dad lächelt. »Du hast mit ihm geredet?«
    »Nein. Nein. Ich meine, ich hab mich um ihn gekümmert. Wie wir besprochen haben.«
    Sein Dad runzelt die Stirn. »Was redest du da?«
    »Wir können das Geld behalten.«
    »Was?«
    »Das Geld«, sagt er, inzwischen ein wenig verzweifelt. »Wir können es behalten. Wir können damit tun, was wir wollen. Al ist nicht mehr da, Dad. Ich hab mich um ihn gekümmert. Er ist nicht mehr da.«
    »Was soll das heißen, nicht mehr da?«
    »Das weißt du doch.«
    »Nein, ich weiß es nicht. Was soll das heißen, nicht mehr da?«
    »Nicht mehr da«, sagt er leise. »Tot.«
    Seinem Dad klappt die Kinnlade herunter. »Du hast ihn umgebracht?«
    »Ja.«
    »Wwa… warum?«
    Er runzelt die Stirn. »Wegen dem Geld.«
    »Wegen dem Geld?«
    »Weißt du nicht mehr, dass wir darüber gesprochen haben? Es zu behalten?«
    »Du hast ihn wegen des Geldes umgebracht?«
    »Für uns.«
    »Lass mich da raus!«

    »Dad …«
    »Wage es nicht, mich in diese Sache hineinzuziehen!«
    »Aber du wolltest das Geld behalten. Und dass ich mich um Al kümmere.«
    »Du hast angeboten, mit ihm zu reden, nicht, ihn zu töten.«
    »Dad, ich dachte, es wäre das, was du willst.«
    »Ich wollte, dass du mit ihm redest, ihn zur Vernunft bringst.«
    »Aber du hast mir gesagt …«
    »Ich habe dich gebeten, mit ihm zu reden.«
    »Du hast mich gebeten, ihn zu töten.«
    »Was?! Hast du den Verstand verloren?«
    »Du hast mir gesagt, ich sollte es

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