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Totsein verjaehrt nicht

Titel: Totsein verjaehrt nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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verschwunden ist, in Augsburg.
    Und jetzt gehen Sie, sonst lass ich Sie von Ihren Kollegen abholen. Ich respektiere, dass Sie als Kommissar weiterhin am Schicksal von der Scarlett teilnehmen, und ich versteh auch, dass ein Mordfall, bei dem es keine Leiche gab, irgendwie nie abgeschlossen ist. Aber was ich damals ausgesagt hab, gilt immer noch, mehr ist nicht. Ich bring Sie zur Tür.«
    Noch im Flur gab er Fischer die Hand, und er schloss sofort hinter ihm ab.
    Ein kalter Wind fegte über das offene Feld. Aus der Ferne hörte Fischer das Verkehrsrauschen von der Salzburger Autobahn. Er ging durch den unauffälligen, mickrigen Abschnitt der Balanstraße. Ohne hinzusehen, bemerkte er, wie Borkham ihn vom Fenster aus beobachtete.
    Borkham hatte gelogen. Seine Hände hatten etwas anderes erzählt als sein Mund.
    Und das beunruhigte Fischer mit jedem Kilometer mehr,den er in seinem Wagen bis zum Hotel Brecherspitze zurücklegte.
     
    Den Nachmittag verbrachte er als einziger Gast im Restaurant des Hotels.
    Es gelang ihm, seine Beobachtungen und Gedanken niederzuschreiben. Sogar eine Kartoffelsuppe aß er zur Hälfte auf, und er trank drei Flaschen Mineralwasser. Seite für Seite füllte er in dem unlinierten Heft, das er aus seiner Wohnung mitgebracht hatte. Und je länger er schrieb, desto klarer glaubte er Zusammenhänge zu erkennen und desto zorniger wurde er. Auf seine Kollegen. Auf Micha Schell. Auf sich selbst. Auf seine Arbeit, seine Unzulänglichkeiten, die vor lauter Routine niemandem mehr auffielen. Auf seine so perfekt eingeübten polizeimäßigen Verhaltensweisen, die alles entschuldigten, jede Blindheit, jede Taubheit, das ganze schmierige Schauspiel im Angesicht der Medien und der Angehörigen. Ein Mörder wurde verurteilt und die Wahrheit ans Licht gebracht. Aber das war kein Licht, das war pure Einbildung. Und es war auch nicht die Wahrheit, sondern nichts als ein Urteil, die Verdammung scheinbar unerklärlicher Ereignisse und deren Umwertung in Tatsachen zum Behufe einer Bestrafung. Fischer schrieb: »Hexenhammer, 21. Jahrhundert.« Seine Hand zitterte. Dennoch unterstrich er die Formulierung mit zwei völlig geraden Linien.
     
    Als ältester der »Zwölf Apostel« hatte der neunundfünfzigjährige Walter Gabler kommissarisch die Leitung der Mordkommission übernommen. Wann der Erste Kriminalhauptkommissar Silvester Weningstedt zurückkehren würde, wusste niemand, am wenigsten er selbst. Valerie Roland hatte mit ihm kurz im Krankenhaus telefoniert. Wie sie ihren Kollegen hinterher berichtete, habe der Chef bei ihr einen gedrückten,pessimistischen Eindruck hinterlassen. Sie habe auch mit seiner Frau sprechen wollen, diese aber nicht erreicht.
    In einer Vernehmungspause kam Micha Schell in Gablers Büro, das dieser sich mit Fischer teilte.
    »Hast du was von ihm gehört?«, fragte Schell mit grimmigem Unterton.
    »Er kommt.« Über Fischers eigenmächtige, unverständliche Ermittlungen hatte Gabler sich noch keine Meinung gebildet, und er wollte jetzt nicht darüber sprechen.
    »Wenn von den Leuten jemand zur Presse geht, dann gut Nacht.«
    »Niemand wird zur Presse gehen.«
    »Wo ist die Mutter?«
    »Auf dem Weg zu uns. Liz und Nick haben sie zum Erkennungsdienst gebracht und sind gleich da. Wie weit bist du mit Dennis Socka?«
    Schell deutete auf die Wasserflasche auf Gablers Schreibtisch. Gabler nickte. Schell holte ein Glas aus dem Regal und goss es bis zum Rand voll. »Er weiß jetzt, wie’s Maulhalten geht.« Schell trank das Glas leer, hielt einige Sekunden die Luft an und stellte das Glas verkehrt herum auf das im Regal ausgelegte Geschirrtuch. »Zum Glück verspätet sich sein Anwalt.« Er ging zur Tür. »Lass dir von P-F bloß nichts dreinreden.«
    »Viel Glück«, sagte Gabler. Fischer und er hatten seinerzeit intensiv über den Ausgang des Falles Scarlett Peters gesprochen, und auch wenn seine Zweifel an der Täterschaft von Jockel Krumbholz im Verlauf der Ermittlungen und des Prozesses nicht geringer geworden waren, akzeptierte er am Ende doch die Begründung des Gerichts und hielt das Geständnis für glaubhaft.
    Er stand auf, streckte den Bauch vor und setzte sich wieder,eine Angewohnheit, die er auch in Besprechungen beibehielt. Wenn Fischer kam, wollte er ihn fragen, welche Neuigkeiten er eigentlich herausgefunden hatte und wieso er so ein Geheimnis daraus machte.
    Dass er die Abteilung vorübergehend leitete, gefiel Walter Gabler nicht. Zum Führen hatte er kein Talent, das wusste er,

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