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Totsein verjaehrt nicht

Titel: Totsein verjaehrt nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Richtung.
    War Scarlett so gestorben, wie Jockel im Kreuzverhör und in einem Zustand extremer Erschöpfung erklärt hatte? Keine Leiche. Keine solide Tatrekonstruktion, vor allem vor dem Hintergrund, dass Jockel sein Geständnis widerrufen hatte. Er sei bloß so müde gewesen, sagte er zu Hauptkommissar Rainer Koburg, dem Leiter der Soko2, der ihm kein Wort glaubte. Er, Jockel, würde doch der Scarlett niemals was antun.
    Und sein Vater schwieg.
    Wenn Luisa Krumbholz ihrem Mann zutraut, die Leiche eines ermordeten Mädchens verschwinden zu lassen, sagte Fischer zu den vorbeifahrenden Autos, traut sie dann auch ihrem Sohn ein Verbrechen zu? Niemand hat ihr bis heute diese Frage gestellt. Auch sie hat das Recht, die Aussage zuverweigern, und das hat sie getan, abgesehen von ihrer Erklärung gegenüber ihm, Fischer, und später gegenüber Koburg, ihr Sohn sei unschuldig.
    Wusste sie etwas? Ahnte sie etwas? Deckte sie ihren Mann und verachtete ihn deswegen umso mehr? Weil sie gezwungen war, ihn wegen ihres Sohnes zu schützen? Weil sie niemals zugeben würde, dass ihr Sohn einen Menschen getötet hatte?
    Ja? Ja? Fischer erreichte das verlassene griechische Restaurant und ging weiter, im Fahrtwind der entgegenkommenden Autos. Passanten wichen ihm aus und sahen ihm nach.
    Jockel hatte nicht freiwillig ein Geständnis abgelegt. Er war eingeschüchtert, unter Druck gesetzt und ohne Verteidiger in zwei Tagen und einer Nacht – siebenundzwanzig Stunden lang, davon elf am Stück – zermürbt worden.
    Eine elfstündige Vernehmung ohne Pausen durchzuführen ist nicht ungesetzlich, sagte Fischer. Es ist unmenschlich.
    Einen geistig behinderten Vierundzwanzigjährigen elf Stunden lang ohne Pausen zu vernehmen ist nicht unmenschlich, sagte Fischer auf der Berger-Kreuz-Straße, die er jetzt hätte verlassen müssen. Es ist eine Schande für die Polizei.
    Einen behinderten Mann mit dem Geisteszustand eines Zehnjährigen elf Stunden lang ohne Pausen und ohne Rechtsbeistand zu vernehmen, sagte Fischer an der Kreuzung, grenzt an Folter.
    Zu dem älteren Mann, der mit ihm die Straße überquerte und nichts verstand, denn Fischer redete in sich hinein, sagte er: Niemand hat einen Verdächtigen gefoltert. Nichts davon steht in den Protokollen. Dennoch ist es geschehen, wissen Sie.
    Der Pflichtverteidiger hatte eine Woche Urlaub genommen. In dieser Zeit nutzte Koburg seine Chance. Als der Anwalt zurückkehrte, hatte die Staatsanwaltschaft aufgrundder vorliegenden psychologischen Gutachten bereits eine Anklageerhebung gegen den Tatverdächtigen Jonathan Krumbholz in Aussicht gestellt. Auf einer Pressekonferenz lobten der Ermittelnde Staatsanwalt Dr. Frank Steidle und Polizeipräsident Dr. Veit Linhard »den aufwendigsten Einsatz in der Geschichte der bayerischen Polizei«. Unabhängig von der Aussage des Verdächtigen gebe es, sagte Steidle, »keine weiteren Anhaltspunkte« für den Ablauf des Geschehens. Allerdings sprächen die Ermittlungen eine »klare Sprache« und seien durch die Vernehmungen »letztendlich zweifellos« bestätigt worden: »Für alle anderen Tatvarianten lassen die bisherigen Ergebnisse der Soko keinen Spielraum.« Steidle forderte Eberhard Krumbholz auf zu gestehen, wo er die Leiche vergraben habe, da er strafrechtlich nicht belangt werden könne.
    Und wenn Krumbholz die Leiche tatsächlich vergraben hat?, sagte Fischer in der Krumbadstraße, wo er nicht hinwollte. Und wenn die Vernehmung durch Micha Schell die Wahrheit ans Licht gebracht hat?
    Und wenn Jockel nicht nur schuld war, sondern doch schuldig?
    Fischer kehrte um, er hatte die Orientierung verloren. Er musste telefonieren. Er brauchte einen Rat. Er brauchte eine Stimme außerhalb seiner eigenen. Er sollte, bevor er zum zweiten Mal in die Kneipe »Bei Hardy« ging, Liz anrufen und ihr von seinen Überlegungen berichten und mit ihr, falls sie dazu bereit war, seine weiteren Schritte besprechen.
    Das musste er tun. Also holte er das Handy aus der Manteltasche, das er die ganze Zeit umklammert hatte. Es war immer noch ausgeschaltet. Er faltete die Hände um das Gerät und hielt sie hoch wie zum Gebet.
    Er musste es einschalten, das Krankenhaus könnte anrufen.
    Das Klingeln eines Fahrrads trieb ihn näher zur Kneipe hin.
    Was er tat, war ungesetzlich.
    Jockel Krumbholz konnte unschuldig sein.
    Du bist zu spät, sagte er zur Eingangstür mit dem gelben Raucherclub-Schild.
    Nein, sagte er, als er eintrat und das Handy schon wieder eingesteckt hatte.
     
    Am voll

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