Totsein verjaehrt nicht
haben ihn wieder rausgelassen. Er ist harmlos, ein armer Junge. Früher hat der im Akropolis ausgeholfen, nicht nur in der Küche, er hat auch bedient. Ja, der Jockel war Kellner, er hat Essen verteilt und Bestellungen aufgenommen. Er ist ja nicht völlig behämmert, er ist halt etwas zurückgeblieben. Der kann schon was, der hat sich die Bestellungen gut merken können, der hat nie was aufgeschrieben. Nicht wie manche Bedienungen, die sich zwei Wein nicht merken können. Der ist nicht blöd, der Jockel, der wirkt vielleicht manchmal so, aber wenns drauf ankommt, funkts in seiner Birne schon noch. Schachweltmeister wird der natürlich nicht mehr, das ist logisch. Jetzt wär ein Weinderl recht, aber der Hardy ist am Würfeln.«
»Haben Sie damals bei der Polizei Aussagen gemacht, Hermann?«
»Sag du zu mir. Ich bin der Willi.«
»Polonius.« Er fragte nicht weiter nach dem Geheimnis von Willis Vornamen. »Hat die Polizei nach Scarletts Verschwinden mit dir gesprochen?«
»Wozu denn?«
»Du kennst die Verhältnisse.«
»Die kennen andere auch.«
»Du hast dich nicht freiwillig gemeldet.«
»Wirklich nicht. Die haben den Jockel fertiggemacht von Anfang an, das war ja ein Witz.«
»Ihr hättet ihn verteidigen können.«
Bevor er seine nächste Zigarette anzündete, klopfte er mit dem Filter eine Weile auf den Tisch. »Die haben uns gefragt, was wir wissen, und wir haben gesagt, der Jockel bringt niemand um. Sie haben uns dummes Zeug gefragt, die hatten keine Ahnung. Warst du nicht dabei?«
»Ich war in der ersten Soko.«
Willi rauchte und nickte. »Damals waren wir noch drüben im Akropolis. Da sind die rein und raus, deine Leute, und irgendwann haben sich zwei von ihnen den ganzen Tag reingesetzt und uns beobachtet. Wegen dem Jockel. Der konnt sich nicht wehren, der war das einfachste Opfer. Alles abgekartet. Und die Mutter von der Scarlett hat das alles manipuliert, die wollt, dass der Jockel schuld ist, und das hat sie auch geschafft am Schluss. Sie hatte die richtigen Verbindungen.«
»Welche Verbindungen?«
Willi hob sein Glas in Richtung Tresen. »Bring mir noch einen. Und ein Wasser.« Er stellte das Glas wieder hin. »Oder wolltst du keins mehr?«
»Doch«, sagte Fischer. »Danke.«
»Bist im Dienst, versteh ich.«
Fischer erwiderte nichts. Die Musik kam ihm unerträglich laut vor. Ihm war heiß. Er hatte den Mantel aufgeknöpft, aber ausziehen wollte er ihn nicht. »Welche Verbindungen hatte Michaela Peters zur Sonderkommission?«, sagte er.
Willi unterdrückte seinen Husten. »Angeblich kannte sie einen von denen. Ob das stimmt, weiß ich nicht, ich habs gehört. Sie hatte mal was mit dem, deswegen waren die auch so scharf auf den Jockel. Weil die Peters denen das eingeredet hat, speziell ihrem Liebhaber. Falls das so war.«
»Du hast es geglaubt.«
Er nickte.
»Die anderen hier haben es auch geglaubt.«
Wieder nickte er und lehnte sich zurück.
Krumbholz stellte das Weinglas auf Willis Deckel, das Wasserglas auf den anderen Deckel und nahm die leeren Gläser. »Wohlsein, Willi«, sagte er und verschwand.
Willi hob sein Glas. »Für ihn gehts jetzt wieder von vorn los, seit du hier aufgekreuzt bist«, sagte er. »Deine Leutehaben seinen Sohn fertiggemacht. Er hat praktisch seine Existenz verloren. Hast du mal seine Frau gesehen, die Luisa? Das war eine Schönheit, lang ist das noch nicht her. Und jetzt? Ein Wrack. Die haben sich nichts mehr zu sagen, die zwei, der Hardy und sie. Prost.«
Sie tranken. Die Musik dröhnte. Der Rauch ließ Fischers Augen tränen.
Am Nebentisch rieb die Frau ihre Beine an denen des Mannes, dem die Fluchtgedanken schon auf der Stirn geschrieben standen.
Fischer neigte den Kopf zu Willis linkem Ohr.
»Kennst du die Frau?«
»Die Mimi? Die kannst kaufen, wennst willst.«
»Eine Prostituierte?«
»Prost«, sagte Willi. Er nahm einen tiefen Schluck, wischte sich mit dem Ärmel seines Anoraks über den Mund und trank einen weiteren Schluck. Vermutlich mochte er keinen geräucherten Silvaner.
»Früher hat sie inseriert«, sagte er. »Sie wohnt drüben in der Michaeliburgstraße. Frag sie, ob sie Zeit hat für dich.«
»Und der Mann?«
»Den kenn ich nicht. Der Hardy war eine Zeit lang regelmäßig bei der, die Luisa hat nichts mitgekriegt, aber wir haben das alle gewusst. Wir haben ihn gefragt, was er an der findet. Er hat behauptet, das können wir uns nicht vorstellen, was man bei der alles finden kann.«
»Geht er immer noch zu ihr?«
»Schon lang
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