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Totsein verjaehrt nicht

Titel: Totsein verjaehrt nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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besetzten Tresen redeten Männer aufeinander ein. Die Gäste, die an den Tischen saßen, redeten kaum, oder Fischer hörte ihre Stimmen schlecht.
    Die einzige Frau in der Kneipe unterhielt sich mit wedelnden Händen mit einem bärtigen Mann gegenüber von Willis Tisch, an dem Fischer Platz nahm. Alle Gäste sahen zu ihm hin, um ihn augenblicklich wieder zu vergessen oder zu ignorieren. Grußlos brachte der Wirt ihm das bestellte Mineralwasser und verschwand wieder. Ab und zu kam Luisa Krumbholz aus der Küche und servierte einen Teller Suppe. Beim ersten Mal warf sie Fischer einen kühlen Blick zu, danach beachtete sie ihn nicht mehr.
    Willi, ein Mann unbestimmten Alters, in einem dunkelgrünen Anorak, unter dem er einen braunen Rollkragenpullover trug, lehnte in der Ecke, seinen Weißwein im Visier, die linke Hand auf der Zigarettenschachtel. Manchmal nickte er Fischer rätselhaft zu.
    Der Kommissar beugte sich vor. »Ich möchte Sie gern etwas fragen, Willi.«
    »Ich heiß nicht Willi.« Vielleicht hatte er ein kleines Loch im Hals, das in den Rauchschwaden nicht zu sehen war. Den Mund hatte er zum Sprechen jedenfalls nicht geöffnet.
    »Dann habe ich mich heut Mittag verhört.«
    Inmitten ihrer Freunde saßen Hannes und Kare am Tresen.Wie alle anderen hatten sie Fischer beim Hereinkommen angesehen und sich dann abgewandt.
    »Ich heiß Hermann.« Er steckte sich eine Zigarette zwischen die Zähne und zündete sie mit einem Plastikfeuerzeug an, das er jedes Mal, nachdem er es benutzt hatte, aufrecht hinstellte.
    »Polonius Fischer.«
    »Das weiß ich.«
    »Ich würde Sie gern etwas fragen.«
    Er inhalierte und nickte.
    »Kannten Sie die kleine Scarlett Peters?«
    Anstatt Fischer anzuschauen, gaffte er die Frau am Tisch auf der anderen Seite an. Sie griff nach der Hand ihres Begleiters, und dieser zog sie weg.
    »Flüchtig«, sagte Hermann. Jetzt erwiderte die Frau seinen Blick.
    »Er ist schüchtern«, sagte sie in Fischers Richtung.
    Der bärtige Mann stand auf und ging an Willis Tisch vorbei zu den Toiletten.
    »Sie kennen auch Scarletts Mutter«, sagte der Kommissar.
    Hermann wandte den Kopf von der Frau ab. »Alles Schlampen, so wie sie da hocken. Ich kenn die Mutter von der Scarlett, kopfgesteuert ist die nicht, nie gewesen.«
    »Sie meinen, sie lässt sich mehr von anderen Körperteilen steuern.«
    »Das haben Sie gesagt.«
    »Und Sie haben es verschwiegen.«
    Der Mann nahm sein Weinglas, behielt die Zigarette zwischen den Fingern, trank, prostete Fischer zu und nickte.
    »Sie kennen auch den Sohn des Wirts, den Jockel.«
    »Was ist?« Hermann stellte das Glas auf den Deckel und deutete auf sein linkes Ohr. Also beugte Fischer sich noch ein Stück vor.
    »Der Jockel und die Scarlett waren Freunde.« Fischer legte die Hand neben seinen Mund, weil er nicht wollte, dass die Frau am Nebentisch jedes Wort mitbekam.
    »Kann sein«, sagte Hermann. »Hat er sie jetzt doch nicht umgebracht, der Jockel?«
    »Warum hätte er sie umbringen sollen?«
    Hermann drückte die Zigarette aus, schob den Aschenbecher zur Wand, legte die Arme auf den Tisch, stieß Luft durch die Nase. »Das wissen Sie doch.« Er hustete und wischte sich über den Mund. »Hab ich Sie angespuckt? Der Jockel ist ein Kind, und er spielt halt gern … auch mit sich selber, macht ja jedes Kind. Aber als Erwachsener … das sind dann die Perversen. Der Jockel ist kein Perverser, ist halt ein Kind geblieben. Und er hat halt die Scarlett angemacht. Nicht richtig angemacht …«
    »Er hat sich vor ihr entblößt.«
    »So heißt das bei der Polizei. Ein Exbit… Ein Exhibitionist. Wie heißt das bei euch?«
    »Ein Gliedvorzeiger.«
    »Was soll man machen?« Mit einem schnellen Schluck leerte Hermann sein Glas und knallte es auf den Deckel. »Hat er halt gern sein Glied vorgezeigt. Vor-gezeigt, weil nach hinten kann er damit ja nicht zeigen.« Er grinste nicht, er nickte nur mehrmals wie zur Bestätigung. »Das hat doch jeder gewusst hier. Im Sommer, wenns heiß war, ist er manchmal in der Unterhose die Kreuzstraße rauf und runter gelaufen, hat den Autofahrern gewunken, und die haben ihm auch gewunken. Der hat niemand was getan, der Jockel. Hat sich vor die kleinen Kinder hingestellt und sie erschreckt. Das macht man nicht, aber er hat nie einem Kind was getan, das sagt Ihnen jeder hier. Er ist nie angezeigt worden, oder?«
    »Nein«, sagte Fischer. »Aber er war eine Zeit lang in der Psychiatrie.«
    »Ist ja klar. Da kommt so einer schnell hin. Und? Sie

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