Touched
samt Bettdecke und allem aus dem Bett. Er setzte sich auf seinen Stuhl zurück, wobei er auf den Infusionsschlauch achtgab.
Eine vorbeikommende Krankenschwester sah uns und kam ins Zimmer gerannt. »Mr O’Malley! Sie dürfen …«
Ben funkelte sie an. »Papperlapapp! Raus hier!«
Sie machte auf dem Absatz kehrt, vermutlich in der Absicht, jemanden mit mehr Autorität einzuschalten, der Ben zur Rede stellte. Mein Vater sah mich mit seinen blauen Augen beschwörend an.
»Remy, du bist nicht für alles und jeden verantwortlich. Du hast Dean nicht hergebracht, und du hast alles getan, um deine Schwester zu beschützen. Viel mehr als irgendwer von dir erwarten konnte. Und davor hast du deine Mutter beschützt. Wir hätten da sein sollen. Ich, deine Mutter. Wir hätten da sein sollen, denn es ist die Aufgabe der Eltern, dass dir nichts passiert! Du bist ein Kind, Remy! Ein weises, schönes Kind, das nichts von alledem verdient hat. Hörst du? Das war nicht deine Schuld!«
Er sah aus, als wollte er mich schütteln, doch seine Hände blieben ruhig.
»Ich lasse dich nicht gehen! Und wenn du es dennoch versuchst, dann kriegst du es mit mir zu tun! Mach mir Vorwürfe,dass du mit diesem Schwein allein fertig werden musstest, weil ich nicht da war. Hasse mich, sei wütend auf mich, aber bleib! Du bist nicht mehr allein. Ich bin für dich da, Remy!«
Mein Dad will, dass ich bleibe.
In mir brachen alle Dämme, und Bens Gesichtszüge verschwammen. Verlegen drehte ich den Kopf zur Seite und wischte die Tränen mithilfe des Bettbezugs weg. Sie flossen stärker, schmeckten salzig und heiß. Entsetzt lauschte ich, wie mir der Atem stockte und ich aufschluchzte. Die Angst, die Sorge und der Kummer, die ich in mich hineingefressen hatte, brachen sich endlich Bahn.
Mein Dad will, dass ich bleibe.
Bens Griff um mich wurde fester. »Weine, Schatz«, flüsterte er. »Für dich.«
Wieder schluchzte ich los und vergrub mein Gesicht in seiner Halsbeuge. Ich spürte, wie Asher sich aus meinen Gedanken zurückzog, als Ben mich wiegte wie ein Kind und unsinniges Zeug murmelte, während ich mir das Leid und den Kummer von Jahren von der Seele weinte.
Später an diesem Abend kamen Lucy und Laura noch vorbei. Vom Weinen hatte ich verquollene Augen und einen kratzigen Hals. Ich war schließlich wimmernd in Bens Armen eingeschlafen. Zuvor war die Krankenschwester mit einem Arzt zurückgekehrt, aber Ben hatte ihnen irgendetwas gesagt, und sie waren wieder verschwunden. Asher hatte noch einmal hereingeschaut und mit den Lippen meine Stirn gestreift, ehe er nach Hause ging.
Kaum war Laura angekommen, trieb sie gleich die Krankenschwestern in den Wahnsinn, weil sie ihnenhinterherjagte, damit sie meine Verbände überprüften. Mit ihrer kühlen Hand glättete sie einen imaginären Strich auf meiner Stirn und milderte damit meine Kopfschmerzen.
Mit zitternder Stimme listete sie meine Verletzungen auf – Gehirnerschütterung, Schusswunden an Taille und Rücken, Brandwunden am linken Arm und am Hals, zwei gebrochene Finger und ein gebrochenes Handgelenk, dazu die Abschürfungen an beiden Hand- und Fußgelenken durch die Fesseln – aber Lucy war es, die mir vor Lauras missbilligenden Augen einen Taschenspiegel gab, als ich darum bat. Mein Spiegelbild entsetzte mich. Blutergüsse und Kratzer, die höchstwahrscheinlich entstanden waren, als mich Dean aus dem Gebüsch gezogen hatte, bedeckten mein Gesicht. Kein Wunder, dass mich alle bestürzt anstarrten. Besorgt merkte ich, wie mir schon wieder Tränen in die Augen schossen.
Laura deckte mich mit einer dünnen Decke zu. »Welch ein Segen, dass Asher, dieser gute Junge, zur Stelle war und dich rechtzeitig hergebracht hat! Nicht auszudenken, was passiert wäre …« Sie räusperte sich. »Die Ärzte sind überrascht, welche Fortschritte du machst. Wir sind so froh darüber. Sie meinen, es werden zwar ein paar Narben zurückbleiben, aber körperliche Schäden wirst du glücklicherweise nicht davontragen. Und die Blutergüsse sind ohnehin bald wieder verschwunden, wirst schon sehen.«
Lucy setzte sich neben mich aufs Bett und fügte beiläufig hinzu: »Hey, die trägt in dieser Saison doch jeder. Wir haben dieselben Veilchen, Sis!«
Als ich in Gelächter ausbrach und mir an die Seite fasste, schauten Ben und Laura mich besorgt an, aber Lucy grinste reuelos. Auf ihrem Gesicht prangte ein ähnlicher Bluterguss wie auf meinem, und ich entdeckte weitere unterhalb des Ausschnitts ihrer
Weitere Kostenlose Bücher