Tränen aus Gold
ich ihn aus den Stallungen fortschaffte. Tatsächlich war er nur bewusstlos. Deswegen habe ich ihn im Fluss ertränkt, ohne daß er sich zur Wehr setzen konnte.«
»Du bist ein Scheusal!« rief Arabella angewidert.
»Genug jetzt! Ich habe eure Anschuldigungen satt!« Damit entfernte er sich, und sie hörten das hohle Klappern seiner Absätze auf dem Steinboden, das als Echo von den Wänden zurückgeworfen wurde.
»Ich war eine Törin«, stöhnte Arabella. »All die Jahre glaubte ich, er liebe mich wie ich ihn.«
Elise fehlten tröstende Worte für ihre Kusine, da sie in Gedanken schon bei Maxim war, wenn er zu ihrer Rettung käme.
35
Der Spätnachmittag wurde von einem schwachen, dunstigen Regen, der mehr Nebel als Tropfen brachte, verdunkelt. Maxim hatte eine dichtbewachsene Senke an einer Seite des Hügels ausfindig gemacht, die für eine Annäherung an die Ruine von der Südseite her gute Deckung bot. Sie waren zu dritt und führten Seile, Degen, Pistolen und Dolche mit sich. Maxim ging voran, hinter ihm kamen Nikolaus und Sir Kenneth. Bis zum Fuß des Burghügels waren sie vor Entdeckung sicher, so daß sie unterhalb der Ruine innehalten und die verfallenen Gemäuer in Augenschein nehmen konnten. Wachposten waren nirgends in Sicht, was vermuten ließ, daß Quentins Leute sich in den Schutz des Turmes zurückgezogen hatten und nur zwei Wachen am Tor standen.
Die drei spähten durch den Regen hinauf und suchten Anhöhe und Turmmauer nach einer Öffnung, einer Nische, einem Vorsprung ab, nach irgend etwas, das ihr Vordringen erleichtern würde. Knapp unterhalb des Mauerwerks entdeckten sie rostige Fließspuren am Felsgestein.
Nikolaus, der sich mit Speigatts und Abflüssen auskannte, wies auf die Stelle hin. »Vermutlich kommt der Abfluss aus dem untersten Geschoß.« Er hob fragend den Blick zu Maxim. »Aus dem Verlies vielleicht?«
»Das wollen wir uns näher ansehen.« Maxim warf Kenneth einen Blick zu, und dieser nickte zustimmend.
»Also los!«
Es verging keine halbe Stunde, und die drei hockten unmittelbar unter einer großen, von einem rostigen Gitter bedeckten Öffnung, von deren unterem Rand ein dünnes ockerfarbiges Rinnsal tropfte. Nikolaus streckte eine Hand aus und schlang das Seil um das rostige Metallgitter. Dann umfasste er den Rand mit seinen Riesenhänden und stemmte sich mit aller Kraft dagegen. Das Gitter bewegte sich, wenn auch nur wenig. Sir Kenneth und Maxim drückten aus ihren jeweiligen Positionen ebenfalls mit Leibeskräften. Allmählich schafften sie es, das Hindernis aus der Verankerung zu lösen, und Nikolaus ließ es am Seil hinuntergleiten, bis es weiter unten fest auflag. Dann ließ Nikolaus das eine Ende los und zog das Seil wieder hoch, um es an seiner Schulter festzumachen.
Maxim war bereits in den engen Abflußkanal eingedrungen und mahnte Kenneth zur Vorsicht, als der Ritter seine massige Gestalt in die Öffnung pferchte. Durch zwei gitterbedeckte Öffnungen über ihnen drang schwaches Licht. Die eine Öffnung war nur wenige Meter entfernt, die zweite mindestens zehn Meter. Von der nächstgelegenen aus konnte man Stäbe und die Kante einer Eisentür sehen, und als Maxim zu der weiter entfernten Öffnung kroch, sah er die Stiefel eines auf einem Stuhl sitzenden Postens und hörte sein rasselndes Schnarchen. Vorsichtig kroch er zu der ersten Öffnung zurück.
Eine Überprüfung zeigte, daß das Gitter auf einer Steinfassung nur auflag. Als sie sich dagegen stemmten, gab das rostige Gitter mit einem leisen Knirschen nach, das sie vor Schreck erstarren ließ. Aber das Schnarchen hielt an. Sie hoben das Gitter an und schoben es beiseite. Vorsichtig tauchte Maxims Kopf aus der Öffnung. Nichts rührte sich. Der Wachposten, der an die Wand gelehnt dasaß, schnarchte weiter. Maxim versuchte angestrengt, das Dunkel zu durchdringen, und konnte schließlich drei schlafende Gestalten ausmachen.
Lautlos stiegen die Männer aus dem Abflusskanal. Während Maxim sich daranmachte, das schwere Zellenschloß zu untersuchen, bezog Kenneth an der Treppe Posten, und Nikolaus huschte zum schlafenden Wachposten hin. Er stellte sich über die ausgestreckten Beine des Mannes, ehe er dem Burschen mit dem Pistolengriff einen Hieb über den Schädel versetzte. Mit der Linken verhinderte er, daß der Mann zu Boden sank. Er setzte ihn in schlafender Position hin, umschlang die Beine mit einer Seilschlinge, zog das Seil unter der Bank hindurch und wickelte es dann um die Hände des
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