Tränen der Lilie - Hüter der Gezeiten (Bianca Balcaen: Geisterkrieger-Serie) (German Edition)
lange gedauert, bis heute. Aber
jetzt kann ich
sie endlich wieder spüren. Mom ist bei mir und spricht wieder
mit mir .«
Thomas fiel an diesem Tag wieder ein, dass Tadita und
Amy sich früher
oft stumm und fast regungslos gegenüber gesessen hatten. Beide
hatten sich nur
angeschaut und kein einziges Wort, keine Silbe, miteinander
geredet.
Was er immer für eine Art Telepathie gehalten - und
offen gestanden
auch niemals begriffen hatte - war in ihrer Welt offenbar ganz
einfach gewesen.
Seine Frau führte damals nur die mystische und uralte
Schamanentradition des
Hopi-Stammes weiter. Ganz allmählich begann sie damals schon
ihre Tochter in
die indianische Kunst der Bewusstseinserweiterung und des
Visionenlesens
einzuweihen. Oft hatte sie versucht es ihm zu erklären, aber er
weigerte sich
vehement diese Dinge zu verstehen.
Er unterrichtete an der Universität indianische Kunst
aus voller
Überzeugung, denn das konnte er nachvollziehen und sehen. Aber
der scheinbar
übersinnliche, so surreale und mystische Teil von Taditas
Persönlichkeit hatten
ihn schon sehr oft verunsichert. Was er nicht sehen konnte, das
war für ihn
auch nicht existent.
Amy jedoch schien die gleiche Gabe wie ihre Mutter zu
haben. Sie
konnten sich anscheinend beide ohne zu sprechen, verständigen.
Und Amy hatte
sie verstanden. Immer noch sah er sie vor sich stehen, an diesem
Tag an dem sie
ihr Schicksal für sich selber entschieden hatte. Er konnte auch
noch heute
wieder ihre geflüsterten Worte hören: »Dad, ich weiß jetzt sehr
genau welchen
Lebensweg ich gehe werde.
Ich möchte Ärztin werden und nach dem Abschluss meines
Studiums gehe
ich nach Arizona.
Ins Diné Bikéyah, dem Navajo Nation Reservat der
Indianer. Nur sie
werden mich lehren können die heilende Kunst der Schamanen in
seiner Ganzheit
zu verstehen.
Damit so etwas wie mit meiner Mom niemanden mehr auf
der Welt passiert
wird. Ich möchte die moderne Medizin mit der weisen, uralten und
traditionellen
Naturheilkunde der Indianer verbinden. Im Einklang mit dem
Wissen von beiden
Welten, nur so werde ich jemals eine gute Ärztin werden .«
Sie war vierzehn Jahre alt, als sie vor ihm stand und
diese Worte
sprach.
Thomas rieb sich über die Augen und versuchte die
traurigen Gedanken
wieder aus seinen Kopf zu verbannen. Schließlich erreichte er
den Blumenladen,
stieg aus und kaufte einen wunderschönen, großen Strauß
meerblauer Lilien.
»Dad, wo zum Teufel hast du so lange gesteckt ?«
Amy lief die Treppe runter, als er gerade die Haustür
aufschloss.
Freudestrahlend riss sie ihm die Blumen aus der Hand und küsste
ihn zum Dank
stürmisch.
Liebevoll betrachtete Thomas seine über alles
geliebte Tochter.
Zweiundzwanzig Jahre war sie jetzt jung. Ihre schlanke
und fast
zerbrechlich wirkende Gestalt hatte schon so manchen ihrer
vielen Verehrer
getäuscht. Denn ihre feingliederige Figur verbarg gut
durchtrainierte Muskeln
vom täglichen Schwimmen und ihrer Segelleidenschaft.
Ihre dunkelbraunen fast schwarzen Haare fielen ihr bis
auf die Hüften
und umrahmten so ihr filigranes Gesicht. Wenn Thomas sie ansah
verlor er sich
immer wieder in ihren großen, smaragdgrünen Augen, die von
langen und seidigen
Wimpern umrahmt wurden. Die gleiche Farbe wie Tadita. Sie war
das vollkommende
Ebenbild ihrer Mutter die ihr auch den zarten und bronzefarbenen
Teint ihrer
Haut vererbt hatte.
Thomas war wahnsinnig stolz auf sie. Gleichzeitig
verspürte er aber
auch eine unendliche Traurigkeit, da sie ihn nun tatsächlich
verlassen wollte.
»Amy, möchtest du es dir nicht doch noch einmal
überlegen? Bleib doch
bei deinem alten Vater. Hier hast du doch alles was du brauchst .«
Wehmütig sah sie ihn an, gab ihm nochmal einen Kuss auf
die Wange und
presste ihr Gesicht danach in die Lilien, um den ganzen Duft
aufzunehmen.
»Dad, fang bitte nicht wieder an. Wir haben das alles
doch schon so
oft besprochen.
Nächste Woche geht mein Flug nach Arizona und dann
beginne ich endlich
meine praktische Ausbildung. Die letzten vier Semester hier
waren schön aber es
war nur der trockene Theorieunterricht. Jetzt, in den kommenden
drei Jahren,
werde ich endlich mit den Patienten in Kontakt kommen.
In der klinischen Ausbildung werde ich so viel lernen
können, vor
allem von den vielen neu erforschten Methoden die sie
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