Tränen der Lilie - Hüter der Gezeiten (Bianca Balcaen: Geisterkrieger-Serie) (German Edition)
Weg
vorbestimmt ist.
Aber keiner des weisen Rates, auch nicht Mahu, kann in
ihren Visionen
sehen ob du es überleben wirst.
Darum bitte ich dich nochmal und von ganzen Herzen,
Amy. Geh fort von
hier. Jetzt kannst du es noch.
Du musst die Vorbestimmung nicht annehmen.
Geh weg von hier und lebe dein Leben. Ein normales
Leben ohne Dämonen.
Keiner wird dich dafür bestrafen oder hassen. Dass du auserwählt
wurdest heißt
noch lange nicht, dass du dieses Schicksal auch annehmen musst .«
Er ging auf sie zu und sah sie bittend, beinahe
flehentlich an.
Amy wirkte angespannt und ernst. Aber noch immer empfand sie
keine Furcht oder
gar Angst. Ihre Gefühle hatten sich in den letzten Stunden mit
Michael nur noch
bekräftigt. So klar wie das Wasser des Mormon Lake war, so klar
und sicher war
sie sich ihrer Gefühle für ihn. Jetzt, wo sie ihn noch besser
verstand als in
den letzten Tagen und Monaten in denen er immer so abweisend zu
ihr gewesen
war.
»Ich werde nicht gehen, Michael. Ich werde dich nicht
verlassen. Wir
werden das alles gemeinsam durchstehen .«
Einen Moment blickte er sie perplex und vollkommen
sprachlos an. Er
atmete hörbar schwer ein und war absolut fassungslos.
Denn er hatte so sehr gedacht und gehofft, dass sie
nach all seinen
Erklärungen die Schwere der Situation endlich erkannt hätte.
Aber sie war
tatsächlich noch sturer als der größte Maulesel in dieser
ausgedörrten,
verdammten Wildnis.
»Mein Gott Amy«, schrie er sie nun beinahe mit
grollender Stimme an, »hast
du mir denn in keiner einzigen Minute eben zugehört?
Er ist zu gefährlich für dich. Du hast nicht unsere
Kraft. Und du bist
verdammt noch mal nicht unsterblich. Du bist so zart.
Ich kann dich
nicht in jeder Sekunde beschützen. Aber Atcitty will dich. Du
bist das Ritual
in dieser bestimmten Nacht. Nur wenn er zusammen mit seinen
Söhnen in dieser
Nacht vereint ist und sie alle die Niere einer Jungfrau zu sich
nehmen, nur
dann erlangen sie alle die Unsterblichkeit. Dann sind die
Dogianer und auch wir
machtlos gegen sie.
Eine Jungfrau macht seinen perfiden Plan perfekt.
Darum hat er dich auserwählt. Er will dich und deine
reine,
unbefleckte Niere mit dem für ihn
lebenspendenden
Renin.
Von Anfang an hat er es an dir gerochen. So wusste er
damals bei eurer
ersten Begegnung im Ärztezimmer sofort, dass du noch unberührt
und rein bist.
Wenn er aber erfahren sollte, dass du zu mir gehörst
dann wird er ein
Druckmittel haben um mich und vor allem dich, noch mehr zu
erniedrigen. Er
lässt sich niemals eine von ihm ausgewählte Sache wegnehmen.
Schon gar nicht
von mir, seinem größten Feind.
Und ich kann nicht immer bei dir sein, begreife das
doch endlich. Amy,
bitte tue dir das nicht an. Du weißt gar nicht, auf was du dich
da überhaupt
einlässt .«
Jetzt hatte er wirklich zu schreien begonnen. Hilflos
sah er sie an
und hoffte bei Gott, dass sie nun endlich ihre Bockigkeit
aufgeben würde und
den Ernst der Lage begriff.
Aber Amy reagierte wie immer anders, als wie er dachte.
Mit ihren
großen, grünen Augen schaute sie zu ihm hoch. In der
untergehenden Abendsonne
wirkte ihr Gesicht seltsam blass, aber ihre Stimme hatte einen
klaren und
weichen Klang.
»Auch wenn du mich nicht so anschreist, verstehe ich
dich sehr wohl
Michael. Aber es ist eine Tatsache, die weder du noch ich ändern
können.
Ich habe mich in dir – an dich -
verloren.
In deinem Geist, deinen Gedanken, in deinen ganzen
Wesen und in deinem
Körper. Es ist mir egal ob du ein Mensch, ein Tier oder ein
Halbwesen bist. Ich
liebe dich. Vollkommen, tief und stark in mir. Ich weiß wir
werden es schaffen,
was auch immer uns bevorstehen wird .«
Gerade und aufrecht stand sie vor ihm und streckte ihm
ganz leicht
ihre Hände entgegen.
Er gab einen Ton von sich, der fast wie ein leises und
untersetztes
Jaulen klang. Ruckartig drehte er sich um und blickte in die
untergehende Sonne
über dem Lake. Eine unendliche tiefe Verzweiflung brodelte in
ihm.
Aber es wurde ihm nun auch endlich mit aller
Deutlichkeit dieser Welt
klar, dass sie stärker war als er es je für möglich gehalten
hätte. Tief
aufseufzend drehte sich langsam wieder zu ihr um.
Amy hatte sich in der Zwischenzeit nicht bewegt. Sie
wusste, dass er
hart mit sich kämpfte und ließ ihm die Zeit die er brauchte.
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