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Traenenengel

Traenenengel

Titel: Traenenengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Gehm
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Juli der wegen dreifacher Vergewaltigung und zweifachen Mordes verurteilte Schwerverbrecher Silvio Zinke aus dem Telpener
     Gefängnis ausgebrochen. Die Polizei verfolgt mehrere Spuren, die bis jetzt jedoch alle im Sande verlaufen. Zur Frage, ob ein
     Zusammenhang zwischen Zinkes Ausbruch und der grausamen Verstümmelung eines 1 6-jährigen Mädchens in der gleichen Nacht am Telpener See vermutet wird, wollte sich Polizeihauptmeister Sälzer nicht äußern. Die Ermittlungen
     sowie die Fahndung laufen auf Hochtouren, so Sälzzer.
     
    Je mehr Zeit nach einem Verbrechen verstreicht, desto schwieriger ist der Fall zu lösen – dieser Grundsatz der Verbrechensaufklärung
     dürfte auch PolizeihauptmeisterSälzer bekannt sein. Jede Nacht, die der Messerstecher vom Telpener Badesee in Freiheit verbringt, erhöht das Risiko, dass
     er ungeschoren davonkommt – oder ein zweites Mal zusticht.
    Sind Telpens Straßen, Parks und Seen nachts noch sicher oder von flüchtigen Schwerverbrechern und Messerstechern bevölkert?
     
    Die letzte Zeile verschwamm vor Trixis Augen. Erst als das Zeitungspapier knisterte, merkte Trixi, dass ihre Hände zitterten.
     Mit einer energischen Bewegung knüllte sie die Zeitung zusammen und schleuderte sie in den nächsten Abfalleimer.
    Sie steckte die Hände in die Hosentaschen, blies sich den dicken, etwas zu langen Pony aus der Stirn und sah einen Moment
     unentschlossen über den Schulhof. Sie spürte es. Konnte es nicht genau in Worte fassen. Etwas war anders als sonst. Als vor
     zwei Tagen. Als Flora zum letzen Mal in der Schule gewesen war. Die Grüppchen standen noch enger beisammen. Die Bewegungen
     wirkten langsamer, vorsichtiger, als wollte man niemanden aus Versehen berühren. Als könnte man jemanden verletzen. Über den
     Schulhoflärm hatte sich ein dämpfender Nebel gelegt. Die Wörter ein Hauch. Ein Flüstern aus der Ferne. Hände wurde ineinander
     verschränkt oder vorgehalten, Blicke ausgetauscht und gesenkt.
    Als wäre jemand gestorben, schoss es Trixi auf einmal durch den Kopf. Ihr Magen zog sich zusammen.
    »Der Zinke hat sie abgeschlachtet, kein Thema, Mann«, hörte Trixi einen Jungen mit Stimmbruch sagen, der gerade mit zwei Kumpels
     an ihr vorbeiging.
    Trixi verkrampfte die Hände in den Hosentaschen. Sie riss sich schließlich los und zwang sich, ein paar Schritte über den
     Schulhof zu laufen.
    Mit Flora hatte sie immer ganz hinten auf der kleinen Mauer gesessen, die den Schulhof zur Baumschule abgrenzte. Trixi musste
     daran denken, wie Flora einmal nach einem verhauenen Biotest meinte, dann würde sie eben die Schule wechseln, und sich einfach
     mit dem Rücken nach hinten in die Baumschule fallen gelassen hat. Sie hatte zwischen zwei Rhododendren gelegen, ein paar Blätter
     im Gesicht gehabt und gegrinst.
    Heute blieb die Mauer leer. Trixi wollte sich nicht dort hinsetzen. Das wäre, als würde sie alleine in ein Auto steigen, sich
     auf den Beifahrersitz setzen und darauf warten, dass jemand losfuhr.
    Trixi lief dicht an einem Grüppchen aus der Parallelklasse vorbei.
    »...   und sie war ganz nackt? Wieso das denn?«
    »Oh Mann, bist du bescheuert oder was? Wieso wohl? Weil der Typ sie vergewaltigt hat, was denn sonst.«
    »Quatsch. Davon stand gar nichts in der Zeitung.«
    »Natürlich nicht. Die bringen doch nicht alles. Schon mal was von Opferschutz gehört?«
    »Voll unheimlich, Mann, stellt euch das mal vor – irgend so ein perverser Schwerverbrecher fällt über euch her wie ein Tier
     und schlitzt euch auf   ...«
    »Das muss voll der Psychopath sein. Ich meine, wer macht denn das, ein sechzehnjähriges Mädchen am ganzen Körper   ...«
    »Krank. Total krank ist das.«
    »Und die haben den Typen immer noch nicht, der läuft irgendwo da draußen rum   ...«
    »Da draußen? Vielleicht isser hier auf dem Schulhof.«
    »Jetzt spinn mal nicht rum!«
    »Ey, hört endlich auf, ja! Eins sag ich euch: Freilichtkino mit mir könnt ihr heute Abend vergessen   ... Oh, Scheiße   ...«
    »Was denn?«
    »Pssst!«
    Trixi spürte aus den Augenwinkeln die Blicke der anderen. Sie ging ruhig weiter, die Augen geradeaus gerichtet. Schnepfen,
     zischte sie in ihrem Kopf. Erst schleimen sie um Flora herum, dann kriegen sie vor Neid schmale Augen und jetzt ergötzen sie
     sich wie Hyänen an ihrem Unglück und hauen sich mit ihren kranken Fantasien die Köpfe voll.
    Unbewusst steuerte Trixi auf die kleine Mauer zur Baumschule zu, ihre Beine noch auf Normalität

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