Traeum weiter, Mann
»Sagst du Steff die Wahrheit, damit sie mich aus dem Hotel wirft? Willst du mich gemeinsam mit ihr irgendwo an einen Baum nageln und mit faulen Tomaten bewerfen?«
»Schöne Vorstellung, aber nein.«
»Du willst Steff nichts verraten?«
Schöning schüttelt den Kopf. »Ich würde schon wollen, aber ich tu es nicht. Und weißt du warum? Weil ich Mitleid mit dir habe.«
Heiner sieht ihn verwirrt an.
»Ja, da staunst du, was? Du denkst, ich bin ein gefühlloses Schwein. Aber nein, das bin ich nicht. Ich habe ein Herz, und wenn ich sehe, was für ein erbärmlicher kleiner Wurm du bist, dann kommen mir die Tränen.«
Schöning schiebt ihm den Rechner achtlos wieder zurück. »Nein, keine Angst, ich werde dich nicht bei Steff verpfeifen und ihr damit den Glauben an das Gute in der Welt nehmen. Von mir aus soll sie dich weiter für einen großen Schriftsteller halten.« Schöning beugt sich mit plötzlich düsterer Miene über den Tisch und zischt: »Aber nur, wenn du deine Sachen packst und von hier verschwindest.«
»Sofort?«, erwidert Heiner mit belegter Stimme.
»Von mir aus kannst du diese Nacht noch hier bleiben. Aber morgen früh nimmst du den ersten Bus und haust ab, verstanden?«
Heiner senkt den Kopf und nickt. Was bleibt ihm anderes übrig?
»Aber inzwischen halt dich verdammt noch mal von Steff fern! Sie gehört zu mir! Und du zu deiner Frau und deinen Kindern! Kapier das endlich!«
Heiner versucht es trotzig mit einem letzten Konter. »Ja, schon gut, ich lass euch alleine. Aber egal, was passiert, du wirst ihr nie das geben können, was ich ihr gegeben habe.«
Schöning sieht Heiner tief in die Augen und grinst. »Wollen wir wetten? Wenn du morgen in Hamburg bei deiner Sabine bist und neben ihr vor dem Fernseher einschläfst, werde ich Steff in meinem Whirlpool lieben. Einmal. Noch mal. Und dann noch einmal. Immer wieder. Am Ende wird sie vor Erschöpfung japsen und vergessen, dass sie jemals ein Buch gelesen hat.«
Stunden später liegt Heiner angezogen auf dem Bett und starrt an die Decke.
Ihm ist immer noch übel und schwindelig, daran hat auch ein Spaziergang am Strand nichts geändert. Er war so zerstreut, dass er ganz vergessen hatte, dass man die Schuhe ausziehen muss, wenn man durch die Brandung geht. Seine Füße, Strümpfe und Schuhe sind immer noch nass und tropfen über die Bettkante.
Aber das ist alles unwichtig.
Heiner steht unter Schock, immer noch. Er zittert am ganzen Körper, obwohl das Zimmer völlig überheizt ist.
Was für eine Demütigung! Was für eine Schande! Wieso musste er ausgerechnet an so einen Menschen wie Schöning geraten? Ja, der Kerl hat ihn nicht verraten, aber bestimmt nicht, weil er so ein gutes Herz hat.
Wie kann der liebe Gott nur zulassen, dass er sein Geheimnis ausgerechnet mit diesem Subjekt teilen muss?
Aber du bist ja selber schuld, meldet sich sein schlechtes Gewissen. Warum hast du nicht gleich mit offenen Karten gespielt? Was wäre denn so schlimm daran gewesen, allen zu sagen, dass du etwas Neues probieren möchtest? Dass du keine Lust mehr auf deinen armseligen Buchhalterjob hast und versuchen willst, ein Buch zu schreiben?
Ja, ich habe ein bisschen geflunkert, antwortet sein Stolz. Na und? Wieso sollte er ausgerechnet vor diesem aufgequollenen Makler sein Seelenleben offenlegen? Und überhaupt: Er hat doch keinem wehgetan! Auch Steff nicht, gerade ihr nicht! Jeder kann sehen, wie sehr sie in seiner Gegenwart aufblüht!
Steff ...
Als er von seinem Spaziergang zurückkam, stand sie mit Schöning zusammen an der Rezeption. Worüber sie sich gerade unterhalten hatten, konnte er nicht erkennen. Aber die Stimmung war immer noch gereizt. Steff schien immer noch böse auf Schöning zu sein. Zu recht!
Aber als Heiner durch die Tür trat, begannen ihre Augen sofort zu leuchten. Besorgt merkte sie gleich, wie krank er aussah.
Unter Schönings misstrauischer Beobachtung behauptete Heiner, sein Rücken würde ihm wieder Probleme machen. Was noch nicht einmal gelogen ist. Nach dem Gespräch im Wintergarten ist Heiner so verkrampft, dass er nur noch leicht nach vorne gebeugt gehen kann. Sobald er den Kopf hebt, fährt ihm sofort ein stechender Schmerz in den Nacken.
Natürlich war Steff, der gute Mensch, sofort voller Mitgefühl für ihn. Besorgt bot sie ihm an, ihre Badewanne für ein Kräuterbad zu benutzen.
Für einen Moment überlegte Heiner, ihr Angebot anzunehmen. Doch ein deutlich vernehmbares Räuspern von Schöning, der bis zu diesem
Weitere Kostenlose Bücher